eNews 40 | Januar 2013

Wann stellt der Wechsel in eine Transfergesellschaft eine rechtswidrige Umgehung des § 613a BGB dar?

Bei Restrukturierungen sollen Transfergesellschaften Entlassungen vermeiden und die von Arbeitsplatzverlust Bedrohten wieder in den Arbeitsmarkt vermitteln. Solange sich die Arbeitnehmer in solchen Gesellschaften befinden, wird Transferkurzarbeitergeld gezahlt. Transferlösungen sind daher insbesondere bei Betriebsschließungen und Insolvenzen das Mittel, auf das alle Beteiligten – Arbeitgeber, Gewerkschaften und Betriebsräte – gern zurückgreifen. § 613a des Bürgerlichen Gesetzbuches (BGB) macht das Modell aber rechtlich problematisch. Hiernach sollen die Arbeitsverhältnisse bei einem Betriebsübergang eins zu eins auf den Erwerber übergehen. Er tritt in die Rechte und Pflichten aus den übernommenen Arbeitsverhältnissen vollständig ein. Transfergesellschaften boten bisher die Möglichkeit, dies zu umgehen. Das Urteil des BAG vom 25.10.2012 (Az. 8 AZR 572/11) hat hier nun Klarheit geschaffen.

Transfergesellschaften werden überwiegend von externen Anbietern betrieben. Die von Arbeitslosigkeit bedrohten Beschäftigten treten regelmäßig mit sogenannten dreiseitigen Verträgen in das meist auf maximal zwölf Monate befristete Beschäftigungsverhältnis zur Transfergesellschaft über. Für das abgebende Unternehmen mit positivem Nebeneffekt, denn Kündigungsschutzprozesse müssen nicht geführt werden; im dreiseitigen Vertrag wird das alte Arbeitsverhältnis aufgehoben. Regelmäßig werden daher die Kurzarbeitergeldzahlungen vom restrukturierenden Unternehmen aufgestockt, um den Übergang der Arbeitnehmer in die Transfergesellschaft attraktiv zu machen.

In Sanierungs- und Insolvenzfällen macht dieses Modell die Beteiligten erfinderisch. Durch Zwischenschaltung von Transfergesellschaften kann man das Geschäft der sanierungsbedürftigen Gesellschaft fortführen, ohne mit den Soziallasten der ursprünglichen Arbeitsverhältnisse belastet zu werden. Zudem muss sich die Zusammenstellung der künftigen Belegschaft nicht mehr an der Sozialauswahl nach Alter, Betriebszugehörigkeit und Unterhaltspflichten ausrichten. Betriebliche und leistungsbezogene Erfordernisse stehen im Vordergrund. Dies widerspricht aber der Intention, mittels einer Transfergesellschaft gerade bei Insolvenzen Arbeitsplätze zu retten, die bei einer bloßen Betriebsstilllegung verloren wären. Die Rechtsprechung hat die Aufgabe, hinsichtlich einer möglichen Umgehung von § 613a BGB Grenzen zu setzen.

Eine solche Grenzziehung hat das Bundesarbeitsgericht (BAG) nun in seinem Urteil vom 25.10.2012 vorgenommen. Ein Betriebserwerber wollte von den zuvor etwa 1.600 Arbeitnehmern eines insolventen Unternehmens 1.132 unbefristet und 400 befristet übernehmen. Eine Kollektivvereinbarung zwischen Insolvenzverwalter, Betriebsrat und IG Metall sah hierfür die Zwischenschaltung einer Transfergesellschaft vor. Im Wege eines dreiseitigen Vertrages hatte der klagende Arbeitnehmer sein Arbeitsverhältnis zum Betriebsveräußerer beendet und einen befristeten Arbeitsvertrag mit der Transfergesellschaft geschlossen. Auf einer Betriebsversammlung wurde er zudem dazu veranlasst, vier alternative Angebote auf Abschluss eines Arbeitsvertrags gegenüber der Betriebserwerberin zu unterbreiten. Ein Angebot war auf einen unbefristeten, drei auf befristete Arbeitsverträge gerichtet. Die Betriebserwerberin nahm das Angebot des Klägers für ein auf 20 Monate befristetes Arbeitsverhältnis an. Zur Transfergesellschaft hatte der Kläger gerade eine halbe Stunde im Arbeitsverhältnis gestanden. Der Klage auf Feststellung eines unbefristeten Arbeitsvertrags gab das BAG statt.

Nach der Rechtsprechung des BAG ist zwar der Abschluss eines Aufhebungsvertrages mit einem Betriebsveräußerer im Zusammenhang mit der Zwischenschaltung einer Transfergesellschaft grundsätzlich wirksam. Dies gilt auch, wenn sich ein Betriebsübergang anschließt, in diesem Fall aber nur dann, wenn der Arbeitnehmer keine sichere Aussicht darauf habe, bei dem Erwerber eingestellt zu werden. Der am 25.10.2012 entschiedene Fall lag aber anders. Dem dortigen Kläger war verbindlich in Aussicht gestellt worden, dass er durch den Betriebserwerber zeitnah eingestellt werde. Er musste schließlich auch nur eine halbe Stunde im Arbeitsvertrag zur Transfergesellschaft verharren, bevor er die Vertragszusage erhielt. In dieser Konstellation diente der zwischengeschaltete Vertrag zur Transfergesellschaft ausschließlich der Unterbrechung der Kontinuität des Arbeitsverhältnisses und stellt deshalb eine Umgehung des § 613a BGB dar.

In der Konsequenz besteht der ursprüngliche, mit dem (jetzt insolventen) Betriebsveräußerer geschlossene Arbeitsvertrag unbefristet fort. Die mit dem Betriebserwerber vereinbarte Befristung umgeht § 613a BGB und ist deshalb unwirksam. Dieser hat weiterhin die Rechte und Pflichten aus dem früheren Arbeitsvertrag einzuhalten.
 
Dr. Norbert Pflüger, Pflüger Rechtsanwälte GmbH

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