eNews 45 | Dezember 2013

Werkvertrag: (k)ein Sprungbrett in die Festanstellung

In vielen Beschäftigungsverhältnissen sind Werkverträge gang und gäbe, etwa in der Kreativwirtschaft oder bei projektbezogenen Aufträgen. Für Öffentlichkeit und allgemeine Empörung sorgt aber vor allem der Einsatz dieser Verträge in der Fleischindustrie. Hintergrund sind skandalöse Arbeitsbedingungen, schlechte Bezahlung und die Verdrängung regulärer Beschäftigungsverhältnisse. Aber nicht nur im Niedriglohnsektor ersetzen Beschäftigte mit Werkverträgen Leiharbeitnehmer oder regulär beschäftigte Mitarbeiter. Die Debatten um Werkverträge zeigen nun erste Reaktionen: Ein großer deutscher Automobilkonzern will seine Werkverträge in Leiharbeit überführen. Ein Urteil des Landesarbeitsgerichts (LAG) Baden-Württemberg vom 01.08.2013 (Aktenzeichen 2 Sa 6/13) hatte Werkverträgen juristische Grenzen gesetzt. Das LAG entschied darin, dass zwei IT-Experten, die mit Werkverträgen beschäftigt waren, Anspruch auf ein unbefristetes Arbeitsverhältnis haben.

Die beiden IT-Experten hatten auf Feststellung eines Arbeitsverhältnisses mit einem Autohersteller geklagt, obwohl zwischen ihnen und dem Unternehmen keine direkte Vertragsbeziehung bestand. Der Autohersteller hatte sich vielmehr die Leistungen über ein IT-Systemhaus gesichert, das wiederum einen Subunternehmer beauftragte, der schließlich die beiden IT-Leute über Werkverträge beschäftigte. Das LAG stellte dennoch das Bestehen eines unbefristeten Arbeitsverhältnisses der beiden zum Autohersteller fest. Dem Gericht kam es auf die tägliche Praxis des Arbeitseinsatzes an, nicht aber auf die Papierform des Vertrags. Entscheidend war, dass die IT-Leute bei dem Autohersteller wie normale Arbeitnehmer eingesetzt wurden. Sie erbrachten ihre Tätigkeit seit 2001 stets in dessen Betriebsräumen. Dort waren sie in den organisatorischen Ablauf eingegliedert. Ihre Arbeitsanweisungen erhielten sie regelmäßig von Beschäftigten des Autoherstellers, was durch eine Vielzahl von E-Mails belegt werden konnte. Den Einsatz der IT-Experten koordinierte eine Ansprechpartnerin. Die Aufgabe, die Computerarbeitsplätze des Autoherstellers zu betreuen und den EDV-Zugriff der Beschäftigten sicherzustellen, stellten die IT-Experten im Rahmen festgelegter Servicezeiten sicher, in denen Anwesenheitspflicht bestand.

Das LAG ging daher von einem Schein-Werkvertrag aus. Tatsächlich habe das Automobilunternehmen die IT-Kräfte als Leiharbeitnehmer beschäftigt. Da der Verleiher, nämlich der Subunternehmer, nicht die erforderliche Erlaubnis besaß, ging das Gericht von illegaler Arbeitnehmerüberlassung aus. Sind gemäß § 9 Nr. 1 des Arbeitnehmerüberlassungsgesetzes (AÜG) Leiharbeitsverträge mangels der notwendigen Erlaubnis unwirksam, kommt automatisch ein Arbeitsverhältnis zwischen dem Entleiher und dem Leiharbeitnehmer zu Stande (§ 10 Absatz 1 AÜG). Das Urteil ist zwar noch nicht rechtskräftig; die Revision zum Bundesarbeitsgericht wurde zugelassen.

Eine abschreckende Wirkung löst die Entscheidung dennoch schon jetzt aus. Das Ansehen namhafter Großunternehmen wird durch Schein-Werkverträge nicht gerade gestärkt. Beschäftigte, die im Rahmen solcher Konstruktionen unter Tarif eingesetzt werden, dürften sich ermutigt fühlen, das Bestehen eines Arbeitsverhältnisses zum Unternehmen ihres Arbeitseinsatzes geltend zu machen. Und das Risiko, wegen Hinterziehung von Sozialversicherungsbeiträgen belangt zu werden, ist gestiegen. Wer angesichts verschachtelter Vertragskonstruktion, wie bei dem Automobilunternehmen, von der Unschuldsvermutung ausgehen will, dürfte es daher schwer haben.
 
Dr. Norbert Pflüger, Pflüger Rechtsanwälte GmbH

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