eNews 46 | Februar 2014

Einer für alle – Warum sollte man heute noch einen Betriebsrat wählen?

Über die Arbeit eines Betriebsrats erfährt man in der Regel wenig aus den Medien, meist nur dann, wenn in einem Unternehmen Stellenabbau droht. Laut Zahlen der Hans-Böckler-Stiftung wird derzeit weniger als die Hälfte der Beschäftigten privater Unternehmen in Westdeutschland durch einen Betriebsrat vertreten. Dabei sind die Vorteile der Institution Betriebsrat vielfältig. Und Betriebsräte nützen nicht nur den Beschäftigten, sondern haben meist auch positive Auswirkungen auf die Wirtschaftlichkeit von Unternehmen.

Aufgaben und Gestaltungsmöglichkeiten des Betriebsrats

Als institutionalisierte Arbeitnehmervertretung ermöglicht der Betriebsrat den Beschäftigen die Mitbestimmung und Mitgestaltung innerhalb des Unternehmens.

Arbeitsgrundlage ist das Betriebsverfassungsgesetz, in dem der gesetzliche Auftrag ebenso formuliert ist, wie das Instrumentarium, das dem Betriebsrat zur Verfügung steht.

Allgemeine Aufgaben: Sicherung der Arbeitnehmerrechte

Grundsätzlich soll sich der Betriebsrat der Belange der Arbeitnehmer annehmen und Maßnahmen im Sinne der Arbeitnehmer beantragen und deren Anregungen aufgreifen. Er soll die Beschäftigung im Betrieb fördern und sichern (§ 80 BetrVG). Er hat darüber zu wachen, dass die zugunsten der Arbeitnehmer geltenden Normen eingehalten werden, er hat Maßnahmen des Arbeitsschutzes und des betrieblichen Umweltschutzes zu fördern.

In besonderem Maße soll sich der Betriebsrat um benachteiligte Arbeitnehmer kümmern und die Eingliederung schwerbehinderter, ausländischer und älterer Arbeitnehmer fördern sowie die Gleichberechtigung der Geschlechter und die Vereinbarkeit von Familie und Beruf vorantreiben. Zu den allgemeinen Aufgaben gehört schließlich, die Wahl einer Jugend- und Auszubildendenvertretung vorzubereiten und durchzuführen.

Informationsanspruch: Verlässliche Informationen statt Gerüchteküche

Mit einem Betriebsrat wissen Arbeitnehmer stets um die aktuellen Entwicklungen im Unternehmen Bescheid. Der Betriebsrat hat generell den Anspruch, durch den Arbeitgeber über sämtliche Umstände informiert zu werden, deren Kenntnis für die Erfüllung seiner gesetzlichen Aufgaben zweckmäßig oder erforderlich ist (§ 80 Abs.2 BetrVG).

Insbesondere ist er über die Personalplanung insgesamt, über technische und organisatorische Veränderungen sowie über personelle Einzelmaßnahmen – wie Einstellung, Umgruppierung, Versetzung und Kündigung – rechtzeitig und umfassend zu unterrichten. Die Informationsrechte des Betriebsrates sind in verschiedenen Vorschriften geregelt wie: §§ 80,81, 85 Abs.3, 89 Abs.4 und 5, 90 Abs.1,92 Abs.1, 99 Abs.1, 100 Abs. 2, 102 Abs.1, 105, 106, 108 Abs.4, 111 S.1 BetrVG.

Betriebs- oder Geschäftsgeheimnisse, die vom Arbeitgeber ausdrücklich als geheimhaltungsbedürftig bezeichnet werden, sowie persönliche Daten der Arbeitnehmer haben der Betriebsrat und seine Mitglieder geheim zu halten. Von dieser Ausnahme abgesehen, kann der Betriebsrat seine Information an die Belegschaft weitergeben und öffentlich darüber diskutieren.

Mitbestimmungsrechte: Beteiligung an Unternehmensentscheidungen

Die Mitbestimmungsrechte stellen das wichtigste Instrument und die stärkste Beteiligung des Betriebsrates an unternehmerischen Entscheidungen dar.

Mit jeweils unterschiedlichen Mitbestimmungsintensitäten sieht das Betriebsverfassungsgesetz eine Beteiligung des Betriebsrates vor, zum Beispiel im Bereich sozialer Angelegenheiten, einschließlich des Arbeitsschutzes und der Arbeitssicherheit (§§ 87 ff. BetrVG), bei der Gestaltung von Arbeitsplatz, Arbeitsablauf und Arbeitsumgebung (§ 90 f. BetrVG) sowie bei personellen Angelegenheiten.

In diesen Bereichen hat die Betriebsratstätigkeit unmittelbaren Einfluss auf die Stellung der einzelnen Arbeitnehmer. So ist die Zustimmung des Betriebsrates bzw. die Einigung zwischen Arbeitnehmervertretung und Arbeitgeber Voraussetzung für die Zulässigkeit einer Arbeitgebermaßnahme.

Die Betriebsratsarbeit des Mandatsträgers zwischen Rechten und Pflichten

Die Arbeit des Betriebsrates bewegt sich im Spannungsfeld eigener und fremder Interessen und Ansprüche sowie von Rechten und Pflichten. Mit dem Betriebsratsamt übernehmen die Mitglieder des Betriebsrats neben der Erfüllung ihrer arbeitsvertraglichen Aufgaben weitere, nicht unerhebliche Amtspflichten. Die Kollegen, die einem Arbeitnehmer im Rahmen der Betriebsratswahl ihr Vertrauen und ihre Stimme gegeben haben, setzen damit bestimmte Erwartungen in „ihr" Betriebsratsmitglied. Die Mitglieder des Betriebsrates führen ihr Amt gemäß § 37 Abs.1 BetrVG unentgeltlich als Ehrenamt. Ihnen dürfen aus der Betriebsratsarbeit weder Vorteile noch Nachteile entstehen.

Qualifizierung für anspruchsvolle Aufgaben – Schulungsanspruch

Um das ihnen anvertraute Amt verantwortungsvoll auszuführen und die damit verbundenen Aufgaben ordnungsgemäß durchführen zu können, sind spezielle Kenntnisse der Betriebsratsmitglieder, insbesondere im Betriebsverfassungs- und im Arbeitsrecht notwendig. Um dieser Verantwortung gerecht werden zu können, sieht das Betriebsverfassungsgesetz einen Anspruch auf den Besuch erforderlicher Schulungen für Betriebsräte vor (§ 37 Abs. 6 i.V.m. § 37 Abs. 2 und § 40 Abs1.). Daraus ergibt sich für den Arbeitgeber die Pflicht, Betriebsräte für die Teilnahme an derartigen Schulungen unter Fortzahlung des Arbeitsentgelts von der Arbeitspflicht sowie von sämtlichen anfallenden Kosten (Seminargebühr, Unterkunft, Verpflegung und Reisekosten) freizustellen.

Arbeitsbefreiung und Freistellung

Betriebsratsmitglieder sind gemäß § 37 Abs. 2 BetrVG von ihrer beruflichen Tätigkeit freizustellen, wenn und soweit dies nach Art und Umfang des Betriebs zur ordnungsgemäßen Durchführung ihrer Aufgaben erforderlich ist. Dementsprechend hat das Betriebsratsmitglied einen Anspruch auf Arbeitsbefreiung, wenn Betriebsratsaufgaben wahrzunehmen sind und die Befreiung zur Erfüllung der Aufgaben erforderlich ist. Der Anspruch auf Entgeltfortzahlung entfällt somit nicht.

In Betrieben mit in der Regel 200 Arbeitnehmern und mehr, ist je nach Betriebsgröße mindestens ein Betriebsratsmitglied für die gesamte Amtszeit von der beruflichen Tätigkeit freizustellen (§ 38 Abs.1 BetrVG).

Sonderkündigungsschutz

In Sinne der Sicherung vor Nachteilen sind Betriebsratsmitglieder in besonderem Maße vor Kündigung geschützt. Eine ordentliche Kündigung von Mitgliedern des Betriebsrats ist für die Dauer ihrer Amtszeit gemäß § 15 Abs. 1 KSchG unzulässig. Die Mandatsträger können nur mit ausdrücklicher vorheriger Zustimmung des Betriebsrats außerordentlich gekündigt werden, sofern ein wichtiger Grund im Sinne des § 626 BGB vorliegt. Verweigert der Betriebsrat die Zustimmung oder äußert er sich innerhalb der Erklärungsfrist von drei Tagen nicht, so gilt die Zustimmung als nicht erteilt. Der Arbeitgeber kann sie durch das Arbeitsgericht ersetzen lassen, wenn die außerordentliche Kündigung unter Berücksichtigung aller Umstände gerechtfertigt ist (§ 103 Abs. 1 u. 2 BetrVG).

Nach Beendigung der Amtszeit ist die ordentliche Kündigung des Betriebsratsmitglieds innerhalb eines Jahres, vom Zeitpunkt der Beendigung der Amtszeit an gerechnet, unzulässig (nachwirkender Kündigungsschutz, § 15 Abs. 1 S. 2 KSchG).

Der Kündigungsschutz erstreckt sich auch auf Mitglieder des Wahlvorstands ab dem Zeitpunkt seiner Bestellung bis zur Bekanntgabe des Wahlvorschlags (§ 15 Abs. 3 KSchG).

Kooperation statt Konfrontation ­– Vertrauensvolle Zusammenarbeit

Neben der Sicherstellung der Arbeitnehmerrechte im Unternehmen verlangt das Betriebsratsamt auch eine vertrauensvolle Zusammenarbeit mit dem Arbeitgeber zum Wohle der Arbeitnehmer (§ 2 Abs. 1 BetrVG). Grundlage dafür sind

  • Monatsgespräche mit dem Arbeitgeber: Der Betriebsrat und der Arbeitgeber sollen mindestens einmal im Monat zu einer Besprechung zusammentreten (§ 74 Abs. 1 Satz 1 BetrVG).
  • der ernste Wille zur Einigung für die Beilegung von Meinungsverschiedenheiten: Der Betriebsrat muss bei strittigen Fragen mit dem ernsten Willen zur Einigung verhandeln und Vorschläge für die Beilegung von Meinungsverschiedenheiten machen (§ 74 Abs. 1 Satz 2 BetrVG).
  • das Verbot parteipolitischer Betätigung im Betrieb: Eine parteipolitische Betätigung sieht das Gesetz als generell geeignet an, den Frieden im Betrieb möglicherweise zu stören. Der Arbeitgeber und Betriebsrat haben deshalb jede parteipolitische Betätigung im Betrieb zu unterlassen. Hierdurch ist der Betriebsfrieden zu wahren (§ 74 Absatz 2 Satz 3 BetrVG).
  • die Verschwiegenheitspflicht: Betriebs- oder Geschäftsgeheimnisse sind vom Betriebsrat zu wahren ( § 79 BetrVG). Geheimhaltungspflicht besteht auch in Bezug auf bekannt gewordene persönliche Verhältnisses und Angelegenheiten der Arbeitnehmer (§ 99 Abs. 1 Satz 3 BetrVG).

Betriebsräte bringen auch Vorteile für die Unternehmer

Bei vielen Unternehmen überwiegen die Vorbehalte gegen Betriebsräte. Aber neben den positiven Auswirkungen eines Betriebsrates für die Arbeitnehmer ist festzuhalten, dass auch Arbeitgeber von der Tätigkeit des Betriebsrates profitieren können. Für das Gremium spricht unter anderem, dass die klar geordnete Kommunikation zwischen Belegschaft und Unternehmensleitung hilfreich sein kann.

Betriebsräte dienen meist als Sprachrohr. Sie unterrichten den Arbeitgeber über die aktuellen Anliegen der Arbeitnehmer. So kann die Personalpolitik besser auf die Beschäftigten eingehen, indem sie beispielsweise für familienfreundliche Rahmenbedingungen im Betrieb sorgt.

Darüber hinaus fördert die Mitbestimmung des Betriebsrats bei den Fragen der Lohngestaltung und der Arbeitszeitregelung die Zufriedenheit der Arbeitnehmer im Betrieb. Dies gilt ebenso für die Umsetzung von Maßnahmen zur Gleichstellung von Frauen und Männern, der Integration ausländischer Arbeitnehmer, der Eingliederung Schwerbehinderter und für die Umsetzung von Maßnahmen des Arbeitsschutzes.

Insgesamt kann somit gleichermaßen ein harmonisches Arbeitsklima innerhalb der Belegschaft und ein vertrauenvolles Verhältnis zwischen Belegschaft und Unternehmer erreicht werden. Und zufriedene Arbeitnehmer sind leistungsbereiter, motivierter und steigern dadurch die Wirtschaftlichkeit des Unternehmens.
 
Sandra Schönpflug, Pflüger Rechtsanwälte GmbH

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