eNews 51 | Februar 2015

Urteile im Arbeitsrecht 2014 – eine Auswahl

Kündigung aufgrund von Krankheit etwa oder die Auseinandersetzung über arbeitsvertraglich gesicherte Ansprüche wie Urlaub beschäftigen regelmäßig die Arbeitsgerichte. Einige richtungsweisende Urteile aus dem Jahr 2014 haben wir für Sie zusammengestellt. Außerdem finden Sie Entscheidungen im Kontext des Antidiskriminierungsverbots. Die Übersicht zeigt, dass es bei arbeitsrechtlichen Fragen häufig auf den Kontext des Einzelfalles ankommt.

Kündigung wegen gesundheitlicher oder körperlicher Einschränkungen

Anspruch auf Tätigkeiten bei gesundheitlicher Beeinträchtigung

Eine langjährig beschäftigte Krankenschwester war bedingt durch Medikamenteneinnahme nicht mehr in der Lage, Nachtdienste zu leisten. Aufgrund tarifvertraglicher Regelung war sie jedoch auch zur Ableistung von Nachtdiensten verpflichtet. Die Arbeitgeberin stellte sich auf den Standpunkt, es liege eine Arbeitsunfähigkeit vor und kündigte. Das Bundesarbeitsgericht entschied, dass die Klägerin ihre arbeitsvertraglich geschuldete Tätigkeit als Krankenschwester weiterhin ausüben könne. Ihre eingeschränkte Einsetzbarkeit hinsichtlich der Lage der Arbeitszeit stehe dem nicht entgegen. Die Ausübung des dem Arbeitgeber zustehenden Weisungsrechts müsse nach billigem Ermessen ausgeübt werden, das heißt, die Interessen beider Parteien müssen abgewogen werden. Folglich war der Arbeitgeber verpflichtet, die Klägerin ohne Ableistung von Nachtschichten zu beschäftigen.

Da die Klägerin berechtigt war, der Arbeitgeberin ihre Arbeitsleistung mit der Einschränkung anzubieten, ist die Arbeitgeberin verpflichtet, Annahmeverzugslohn zu zahlen (BAG vom 09.04.2014, Az. 10 AZR 637/13).
 

Außerordentliche Kündigung wegen häufiger Kurzerkrankungen berechtigt?

Die Klägerin war aufgrund tarifvertraglicher Regelung ordentlich unkündbar. Seit dem Jahr 2000 war die Klägerin wegen unterschiedlicher Erkrankungen wiederholt arbeitsunfähig. Aus diesem Grund kündigte die Beklagte das Arbeitsverhältnis außerordentlich mit sozialer Auslauffrist. Das Bundesarbeitsgericht kommt zu dem Ergebnis, dass Arbeitsunfähigkeit infolge Krankheit grundsätzlich ein wichtiger Grund im Sinne des § 626 Abs. 1 BGB sein kann. Jedoch ist der Prüfungsmaßstab bei einer außerordentlichen Kündigung erheblich strenger. Es bedarf insoweit eines gravierenden Missverhältnisses zwischen Leistung und Gegenleistung. Ein solches ist gegeben, wenn zu erwarten steht, dass der Arbeitgeber bei Fortsetzung des Arbeitsverhältnisses erhebliche Entgeltzahlungen zu erbringen hätte, ohne dass dem eine nennenswerte Arbeitsleistung gegenüber stände (BAG-Urteil vom 23.01.2014, Az. 2 AZR 582/13). Im vorliegenden Fall jedoch waren die Ausfallzeiten der Klägerin rückläufig, so dass es keine negative Prognose gab und dem Arbeitgeber die Fortsetzung des Arbeitsverhältnisses zumutbar war.
 

Keine Entschädigung wegen behaupteter Benachteiligung aufgrund von Übergewicht

Die Klägerin verlangt die Zahlung einer Entschädigung und Schmerzensgeld in Höhe von € 30.000,00 mit der Begründung, sie sei als Stellenbewerberin wegen Übergewichts und damit wegen einer angenommenen Behinderung im Sinne des AGG benachteiligt worden. Die geltend gemachten Ansprüche ergeben sich nicht aus § 15 Abs. 2 AGG, da keine Diskriminierung wegen einer Behinderung im nationalen oder unionsrechtlichen Sinne vorliegt. Es ist nicht ausreichend deutlich geworden, ob die Beklagte bei ihrer ablehnenden Entscheidung von einer Behinderung im Rechtssinne ausgegangen ist oder die Ablehnung vielmehr darauf zurückzuführen ist, dass die Klägerin das zweite Vorstellungsgespräch nicht wahrnahm. Gegen das Urteil des Arbeitsgericht Darmstadt vom 12.06.2014 hat die Klägerin Berufung zum Landesarbeitsgericht eingelegt.
 

Urlaubsanspruch und Abgeltungsansprüche

Urlaubsabgeltung bei ruhendem Arbeitsverhältnis

Vereinbaren die Arbeitsvertragsparteien unbezahlten Sonderurlaub, verhindert die Suspendierung der wechselseitigen Hauptpflichten aus dem Arbeitsverhältnis grundsätzlich nicht das Entstehen gesetzlicher Urlaubsansprüche. Im vorliegenden Fall beantragte die Klägerin unbezahlten Sonderurlaub. Nachdem das Arbeitsverhältnis aufgrund der Kündigung der Klägerin endete, verlangte sie Urlaubsabgeltung für das letzte Jahr, in dem sie auch Sonderurlaub beanspruchte. Der Klägerin wurde der Abgeltungsanspruch zugesprochen, da für das Entstehen des Urlaubsanspruchs nach dem BUrlG allein das Bestehen eines Arbeitsverhältnisses Voraussetzung ist. Der Urlaubsanspruch steht nicht unter der Bedingung, dass der Arbeitnehmer im Bezugszeitraum eine Arbeitsleistung erbracht hat (BAG-Urteil vom 06.05.2014, Az. 9 AZR 678/12).
 

Mehr Urlaubstage für ältere Arbeitnehmer

Gewährt ein Arbeitgeber älteren Arbeitnehmern jährlich mehr Urlaubstage als den jüngeren, kann diese unterschiedliche Behandlung wegen des Alters unter dem Gesichtspunkt des Schutzes älterer Beschäftigter nach § 10 S. 3 Nr. 1 AGG zulässig sein. Im vorliegenden Fall gewährte der Arbeitgeber seinen Arbeitnehmern nach Vollendung des 58. Lebensjahres zwei weitere Urlaubstage und begründete dies mit dem erhöhten Erholungsbedürfnis. Das Bundesarbeitsgericht wertete dies als Schutzmaßnahme zugunsten älterer Arbeitnehmer und daher als keine Altersdiskriminierung (BAG-Urteil vom 21.10.2014, Az. 9 AZR 956/12).

Eine ähnliche Argumentation verfolgte das Bundesarbeitsgericht in seiner Entscheidung vom 18. September 2014.
 

Staffelung der Kündigungsfristen in § 622 Abs. 2 BGB ist keine Altersdiskriminierung

Das Bundesarbeitsgericht hat entschieden, dass die von der Beschäftigungsdauer abhängige Staffelung der Kündigungsfristen in § 622 Abs. 1 S. 1 BGB nicht das Verbot der Altersdiskriminierung verletzt. Durch das Abstellen auf die Beschäftigungsdauer werden mittelbar jüngere Beschäftigte ungleich behandelt. Die Staffelung der Kündigungsfrist verfolgt jedoch den Zweck, den länger Beschäftigten und damit betriebstreuen, typischerweise älteren Arbeitnehmern durch längere Kündigungsfristen einen verbesserten Kündigungsschutz zu gewähren. Eine etwaige Ungleichbehandlung ist daher gerechtfertigt. (BAG-Urteil vom 18.09.2014, Az. 6 AZR 636/13).
 

Kleidungsvorschriften im Unternehmen und Antidiskriminierungsgebot

Kirchliche Arbeitgeber dürfen das Tragen eines Kopftuchs am Arbeitsplatz untersagen.

Das Tragen eines Kopftuchs als Symbol der Zugehörigkeit zum islamischen Glauben und damit als Kundgabe einer anderen Religionszugehörigkeit ist regelmäßig mit der arbeitsvertraglichen Verpflichtung einer in einer Einrichtung der evangelischen Kirche tätigen Arbeitnehmerin zu einem zumindest neutralen Verhalten gegenüber der evangelischen Kirche nicht in Einklang zu bringen. Die Arbeitgeberin konnte folglich der Klägerin das Tragen eines Kopftuchs verbieten (BAG-Urteil vom 24.09.2014, Az. 5 AZR 611/12). Diese Entscheidung fußt jedoch auf dem Selbstverständnis des kirchlichen Arbeitgebers. So hat das BAG bereits in der Vergangenheit entschieden, dass die Kündigung einer Verkäuferin in einem Kaufhaus wegen Tragens eines Kopftuchs hingegen nicht gerechtfertigt ist (BAG Az. 2 AZR 472/01).
 

Dienstkleidungsvorschriften müssen den Gleichbehandlungsgrundsatz berücksichtigen.

Arbeitgeber und Betriebsrat können in einer Betriebsvereinbarung das Tragen einer einheitlichen Dienstkleidung regeln. Wird die Dienstkleidung für Arbeitnehmergruppen unterschiedlich ausgestaltet, verlangt der betriebsverfassungsrechtliche Gleichbehandlungsgrundsatz, dass eine solche Differenzierung entsprechend dem Regelungszweck sachlich gerechtfertigt ist. Der Kläger ist bei der Beklagten als Flugzeugführer beschäftigt. Aufgrund einer Dienstvereinbarung ist er unter anderem verpflichtet, eine Cockpitmütze zu tragen. Pilotinnen können hingegen hierüber frei entscheiden. Das Bundesarbeitsgericht entschied, dass die unterschiedliche Ausgestaltung der Tragpflicht gegen den betriebsverfassungsrechtlichen Gleichbehandlungsgrundsatz verstößt und daher unwirksam ist. Die einheitliche Dienstkleidung soll das Cockpitpersonal in der Öffentlichkeit als hervorgehobene Repräsentanten des Luftfahrtunternehmens kenntlich machen. Gemessen an diesem Zweck ist eine unterschiedliche Behandlung nicht gerechtfertigt (Urteil des Bundesarbeitsgerichts vom 30.09.2014, Az. 1 AZR 1083/12).
 

Allgemeine Entscheidungen

Nachvertragliches Wettbewerbsverbot mit unbestimmter Karenzentschädigung

Ist in einem Wettbewerbsverbot eine gegenüber der Vorgabe des § 74 Abs. 2 HGB zu niedrige Karenzentschädigung vereinbart, führt dies nicht zur Nichtigkeit, sondern lediglich zur Unverbindlichkeit des Verbots. Der Arbeitnehmer kann dann entscheiden, ob er sich an das Wettbewerbsverbot hält oder nicht. Hält er sich an das Wettbewerbsverbot, hat er Anspruch auf Karenzentschädigung – selbst aus einem unverbindlichen Wettbewerbsverbot (BAG-Urteil vom 15.01.2014, Az. 10 AZR 243/13).
 

BAG bestätigt umfassenden Anspruch des Betriebsrats auf notwendige Informationsmittel

Grundsätzlich hat der Betriebsrat Anspruch darauf, dass der Arbeitgeber ihm in erforderlichem Umfang Sachmittel und Informationstechnik zur Verfügung stellt. Das Bundesarbeitsgericht hat entschieden, dass hierzu neben dem Internetzugang auch ein Abonnement einer juristischen Fachzeitschrift zählt (Beschluss vom 19.03.2014, Az. 7 AZN 91/13).
 

Bessere Leistungsbeurteilung im Zeugnis ist nachweispflichtig

Bescheinigt der Arbeitgeber dem Arbeitnehmer im Zeugnis unter Verwendung der Zufriedenheitsskala, die ihm übertragenen Aufgaben „zur vollen Zufriedenheit“ erfüllt zu haben, erteilt er in Anlehnung an das Schulnotensystem die Note „befriedigend“. Beansprucht der Arbeitnehmer eine bessere Schlussbeurteilung, muss er im Zeugnisrechtsstreit entsprechende Leistungen vortragen und ggf. beweisen. Dies gilt grundsätzlich auch dann, wenn in der einschlägigen Branche überwiegend gute oder sehr gute Endnoten vergeben werden. Damit bleibt die Beurteilung „zur vollen Zufriedenheit“ durchschnittlich und führt nicht zu einer anderen Verteilung der Darlegungs- und Beweislast (Urteil des Bundesarbeitsgerichts vom 18.11.2014, Az. 9 AZR 584/13).
 
Hakima Taous, Pflüger Rechtsanwälte GmbH

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