eNews 52 | April 2015

Klare Absprachen vermeiden Karriereknick während der Betriebsratstätigkeit

Betriebsratsmitglieder sollen in ihrer Tätigkeit als Arbeitnehmervertreter weder gestört noch behindert werden. So bestimmt es § 78 des Betriebsverfassungsgesetzes (BetrVG). Diese Schutzbestimmung legt darüber hinaus fest, dass sie während der Ausübung ihres Amtes auch nicht benachteiligt oder begünstigt werden dürfen. Dies gilt auch für ihre berufliche Entwicklung. Betriebsratmitglieder haben demzufolge Anteil an Einkommenssteigerungen und müssen um Aufstiegschancen nicht fürchten. Dabei sollten sie aber auf einige Dinge achten.

Vorteile ausschließen – Benachteilung verhindern

Die innere und äußere Unabhängigkeit von Betriebsratsmitgliedern sichert § 37 BetrVG. Dies gewährleistet eine sachgerechte und unbeeinflusste Ausübung der betriebsverfassungsrechtlich vorgesehenen Aufgaben. § 37 Abs. 4 und 5 BetrVG soll die Gleichbehandlung der Mitglieder des Betriebsrates in Bezug auf ihre Entgelt- und Tätigkeitsentwicklung mit vergleichbaren Arbeitnehmern sicherstellen und stellt damit ein Diskriminierungsverbot dar, das neben dem allgemeinen Benachteiligungsverbot aus § 78 Satz 2 BetrVG steht.

Mitglieder des Betriebsrates führen ihr Amt unentgeltlich als Ehrenamt (§ 37 Abs. 1). Das heißt, sie erhalten für die Betriebsratstätigkeit keine gesonderte Vergütung, ihre Einkünfte beschränken sich auf ihren Entgeltanspruch ihrer ursprünglichen Tätigkeit. Es gelten hinsichtlich des Entgelts die arbeitsvertraglichen Vereinbarungen.

Gehaltssteigerung entsprechend der Lohnentwicklung vergleichbarer Arbeitnehmer

§ 37 Abs. 4 BetrVG untersagt es dem Arbeitgeber außerdem, das Arbeitsentgelt des Betriebsratsmitglieds geringer zu bemessen als das eines vergleichbaren Arbeitnehmers mit betriebsüblicher beruflicher Entwicklung. Danach hat ein Betriebsratsmitglied einen Anspruch auf Anpassung des Arbeitsentgelts an die Entgeltentwicklung vergleichbarer Arbeitnehmer im Betrieb. Entscheidendes Kriterium ist die Vergleichbarkeit der Arbeitnehmer: Diese sind dann miteinander vergleichbar, wenn sie zum Zeitpunkt der Übernahme des Betriebsratsamtes eine im Wesentlichen gleich qualifizierte Tätigkeit wie das Betriebsratsmitglied ausübten. Handelt es sich also um ein überdurchschnittlich qualifiziertes Betriebsratsmitglied, muss der Vergleich mit Arbeitnehmern ähnlich hoher Qualifikation erfolgen.

Das Gehalt des Betriebsratsmitglieds ist entsprechend der Lohnentwicklung der vergleichbaren Arbeitnehmern anzupassen. Dies umfasst neben dem Grundgehalt auch Zulagen, Sozialleistungen oder Gewinnbeteiligungen. Wenn sogar nachgewiesen werden kann, dass das Betriebsratsmitglied in der entsprechenden Vergleichsguppe regelmäßig Mehrarbeit geleistet hätte, ist das Entgelt entsprechend anzupassen.

Fallen die Gehaltserhöhungen innerhalb einer Vergleichsgruppe von Arbeitnehmern unterschiedlich aus, kommt es auf die Erhöhung bei der Mehrzahl der vergleichbaren Arbeitnehmer an. Das Betriebsratsmitglied ist also vergütungsrechtlich so zu „befördern“ als hätte es ohne Übernahme des Betriebsratsamts die übliche Karrierelaufbahn genommen. Zu beachten ist, dass betriebsunübliche Gehaltserhöhungen gegen das Begünstigungsverbot nach § 78 Satz 2 BetrVG verstoßen.

Betriebsübliche Aufstiegschancen gelten auch für Betriebsratsmitglieder

Bei der beruflichen Entwicklung der Betriebsratsmitglieder gelten die selben Kriterien wie im Rahmen der Entgeltentwicklung. Mitglieder des Betriebsrats dürfen nur mit Tätigkeiten beschäftigt werden, die Tätigkeiten vergleichbarer Arbeitnehmer gleichwertig sind, soweit nicht zwingende betriebliche Notwendigkeiten entgegenstehen (§ 37 Abs. 5 BetrVG).

Wenn vergleichbare Arbeitnehmer im Laufe der Zeit höherwertige Aufgaben übernehmen, muss dem Betriebsratsmitglied auch eine solch höherwertige Tätigkeit übertragen werden. Hat ein Betriebsratsmitglied aufgrund seiner Betriebsratstätigkeit die entsprechende Qualifikation für ein höherwertige Tätigkeit nicht oder nicht mehr, muss der Arbeitgeber ihm eine entsprechende Fortbildungsmaßnahme ermöglichen.

Beförderungen gelten dann als betriebsüblich, wenn nach den im Betrieb herrschenden Maßstäben das Betriebsratsmitglied zur Beförderung angestanden hätte, oder wenn wenigstens die überwiegende Mehrheit der vergleichbaren Arbeitnehmer einen Aufstieg erreicht hat. Beförderungen müssen in dem Sinne typisch sein, als die überwiegende Mehrzahl vergleichbarer Arbeitnehmer mit ihnen rechnen durfte.

Für freigestellte Betriebsratsmitglieder entfaltet die Tätigkeitsgarantie während ihrer Freistellung keine Rechtswirkung. Sie greift daher erst, wenn die Freistellung aufgehoben ist. Sowohl § 37 Abs. 4 BetrVG als auch § 37 Abs. 5 BetrVG stellen auf das Merkmal der „vergleichbaren Arbeitnehmer“ ab und gewährleisten die Gleichbehandlung mit diesen auch noch ein Jahr nach Beendigung der Amtszeit.

Im Gesetz gut gedacht – in Praxis schwierig umzusetzen

Die Vorgaben des Betriebsverfassungsgesetzes passen nicht mehr uneingeschränkt in das moderne Arbeitsleben. Klare Hierarchiestufen und eine mehrere Stufen durchlaufende Karriere werden immer mehr davon abgelöst, dass Beförderungen und Lohnhöhe individuelle Einzelfallentscheidungen sind. Hierfür sind Qualifikation und Leistung des Arbeitnehmers entscheidend und seltener starre Beförderungsübungen im Betrieb. Das Kriterium der „vergleichbaren Arbeitnehmergruppe“ ist immer weniger anzulegen. Die hypothetische Karriere eines Betriebsratsmitglieds wird dann problematisch, wenn keine oder nur eine geringe Anzahl von Vergleichspersonen vorhanden sind.

Dies trifft besonders freigestellte Betriebsräte, die oftmals über mehrere Perioden in ihrem Amt bleiben und deren letzte Tätigkeit damit ein oder sogar zwei Jahrzehnte zurückliegt.

Geht es um die Beförderung in Leitungs- und Führungspositionen, die nur gelegentlich neu besetzt werden,  und haben damit nur wenige die Chance auf den Karriereaufstieg, kann das Kriterium der Beförderungsüblichkeit noch weniger erfüllt werden.

Frühzeitige Absprachen mit dem Arbeitgeber erleichtern Rückkehr

Trotz der genannten Schwierigkeiten ist die vom Gesetz gewollte Gleichstellung der Betriebsratsmitglieder mit vergleichbaren Arbeitnehmern in Bezug auf die Entgeltentwicklung und die Tätigkeitsentwicklung sinnvoll und plausibel, um Nachteile durch die Übernahme der ehrenamtlichen Betriebsratstätigkeit möglichst zu vermeiden.

Wie sich ein Betriebsratsmitglied ohne Freistellung beruflich weiterentwickelt hätte, wird in der Regel schwierig festzustellen sein. Daher ist es ratsam, bereits zu Beginn der Amtszeit schriftlich festzulegen, mit welcher Gruppe oder welchen einzelnen Arbeitnehmern das Betriebsratsmitglied vergleichbar ist. Diese Statusbeschreibung sollte fortlaufend aktualisiert werden und gemeinsam mit dem Arbeitgeber erfolgen.

Auch für den Arbeitgeber kann es von Interesse sein, den §§ 78 Satz 2 und 37 Abs. 4 und 5 BetrVG gerecht zu werden und eine solche Statusbeschreibung zu fixieren. Signalisiert er, dass in seinem Betrieb Betriebsratsmitglieder sowohl in der Gehalts- wie in der Tätigkeitsentwicklung eine reelle Aufstiegschancen haben, wird das Betriebsratsamt für einen größeren Kreis engagierter Mitarbeiter attraktiv und die Gefahr einer sogenannten „Nischenbildung“ reduziert. Außerdem kann die Tendenz verringert werden, dass aus dem Ehrenamt über wiederkehrende Kandidaturen ein „Hauptberuf“ wird, wenn Beschäftigten reelle Rückkehrperspektiven in ihre berufliche Tätigkeit aufgezeigt werden.

Konflikte müssen vor dem Arbeitsgericht ausgetragen werden

Streitigkeiten zwischen einem Betriebsratsmitglied und dem Arbeitgeber über die Frage, ob das Arbeitsentgelt des Betriebsratsmitglieds demjenigen vergleichbarer Arbeitnehmer entspricht (§ 37 Abs. 4 BetrVG) sowie über die Zuweisung eines unterwertigen Arbeitsplatzes aus zwingenden betrieblichen Gründen (§ 37 Abs. 5 BetrVG) sind individualrechtliche Streitigkeiten. Die sich hieraus ergebenden Ansprüche sind im Urteilsverfahren vor dem Arbeitsgericht von dem betroffenen Betriebsratsmitglied einzuklagen. Dabei trägt das Betriebsratsmitglied die Darlegungs- und Beweislast für die Voraussetzungen seines Anspruches.
 
Lara Shermann, Pflüger Rechtsanwälte GmbH

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