eNews 56 | Februar 2016

Keine Sprinterprämie für ältere Mitarbeiter?

Größere Unternehmen, die Restrukturierungsmaßnahmen umsetzen müssen, stehen immer wieder vor der Schwierigkeit, dass bei einer Vielzahl betriebsbedingter Kündigungen stets eine Sozialauswahl durchzuführen ist, die im Einzelfall überprüft werden kann. Die Verpflichtung zur ausreichenden Sozialauswahl führt fast immer zu Reibungsverlusten beim geplanten Personalabbau. Um eine planungssichere Umsetzung von Betriebsänderungen zu gewährleisten, greifen immer mehr Unternehmen auf die sogenannte Sprinterprämie zurück.

Das Konzept der Sprinterprämie ist einfach: Wer auf die Erhebung einer Kündigungsschutzklage verzichtet oder gar von vornherein einen Aufhebungsvertrag akzeptiert, erhält eine Prämie. Die wird regelmäßig neben der Abfindung aus einem Sozialplan ausgezahlt. Das Bundesarbeitsgericht (BAG) geht von der Zulässigkeit solcher Zahlungen aus. Es begründet dies damit, dass auch § 1a des Kündigungsschutzgesetzes einen Geldvorteil für Arbeitnehmer vorsieht, die auf eine Kündigungsschutzklage verzichten (BAG, Urteil vom 31.05.2005, Az. 1 AZR 254/04). Sprinterprämien sind allerdings streng von Sozialplanabfindungen zu unterscheiden. Abfindungen sollen den Nachteil des Arbeitsplatzverlustes ausgleichen. Die Sprinterprämie stellt eine Belohnung für die Akzeptanz der Vertragsbeendigung dar.

In Sozialplänen hingegen ist eine nach Lebensalter vorgenommene Staffelung der Abfindungshöhe üblich. Die Abfindung rentennaher Arbeitnehmer darf niedriger ausfallen als die jüngerer Arbeitnehmer, wenn deren Chancen auf dem Arbeitsmarkt eingeschränkt sind. Das BAG hält geringere Abfindungen für ältere Arbeitnehmer auch für vereinbar mit dem Antidiskriminierungsgesetz, das in § 10 Nr. 6 eine Rechtfertigung für die Schlechterstellung Älterer enthält. Sogar den Ausschluss von Arbeitnehmern, die nach dem Bezug von Arbeitslosengeld I nahtlos eine Regelaltersrente beanspruchen können, hält das Gericht für zulässig (BAG, Urteil vom 09.12.2014, Az. 1 AZR 102/13).

Manche Unternehmen versuchen nun, dieses Prinzip auch auf Sprinterprämien zu übertragen. In freiwilligen Betriebsvereinbarungen mit ihren Betriebsräten sehen sie vor, ältere Mitarbeiter bei der Prämienzahlung schlechter zu stellen. Ein Rechtfertigungsgrund für diese Ungleichbehandlung liegt aber bei Sprinterprämien nicht vor. Warum sollte ein jüngerer Arbeitnehmer für die Nichterhebung der Kündigungsschutzklage oder die Annahme eines Aufhebungsvertrags mehr belohnt werden als der ältere Kollege? Der Gewinn an Planungssicherheit bei der Umsetzung eines Personalabbaus ist im Falle des jüngeren Mitarbeiters nicht geringer als im Falle des älteren. Die Ungleichbehandlung stellt daher eine ungerechtfertigte Altersdiskriminierung dar, die der Betroffene nicht akzeptieren muss. Ältere Mitarbeiter müssen daher nicht auf Sprinterprämien verzichten, wenn diese auch jüngeren gezahlt werden.

 
Dr. Norbert Pflüger, Pflüger Rechtsanwälte GmbH

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