eNews 57 | April 2016

Neuer Arbeitsort, neue Aufgaben: Was ist eine Versetzung?

Aufgrund seines ihm zustehenden Direktionsrechts aus § 106 GewO darf  mich mein Arbeitergeber versetzen. Unter einer Versetzung versteht man die Zuweisung neuer Arbeitsaufgaben und/oder eines neuen Arbeitsbereichs oder -ortes, wobei die Maßnahmen von einer gewissen Dauer sein oder mit einer erheblichen Änderung der Arbeitsumstände einhergehen müssen. Dabei handelt es sich um eine einseitige Maßnahme. Der Arbeitergeber muss mich nicht um Zustimmung bitten. Wie kann ich dennoch reagieren?

Muss ich eine Versetzung immer akzeptieren?

Wie weit das Direktionsrecht im Einzelnen reicht, ist anhand des Arbeitsvertrages zu ermitteln. In einem ersten Schritt muss geprüft werden, ob ich mich mit einer weitreichenden Versetzungsmöglichkeit einverstanden erklärt habe. Wenn dies der Fall ist, muss der Arbeitgeber bei seiner Entscheidung allerdings die Grenzen „billigen Ermessens“ berücksichtigen. Dieses verlangt in einem zweiten Schritt eine Ausübungskontrolle, das heißt, dass: „die beiderseitigen Interessen nach den verfassungsrechtlichen und gesetzlichen Wertentscheidungen, den allgemeinen Wertgrundsätzen der Verhältnismäßigkeit und Angemessenheit sowie der Verkehrssitte und Zumutbarkeit“ miteinander abgewogen werden. In der Praxis werden hiervon aber nur Versetzungen in Extremfällen abgefangen werden können.

Muss ich jede Arbeitsänderung akzeptieren?

In inhaltlicher Hinsicht muss der neue mit meinem alten Arbeitsplatz gleichwertig sein. Ich darf nicht auf einen weniger verantwortungsvollen, weil hierarchisch niedriger angesiedelten, oder schlechter bezahlten Arbeitsplatz versetzt werden. Selbst wenn meine Vergütung nicht herabgesenkt wird, wäre diese Versetzung nicht vom Weisungsrecht des Arbeitgebers gedeckt und daher unzulässig. Mein Anspruch auf qualifizierte Beschäftigung kann mir nicht einseitig entzogen werden.

Was kann ich gegen eine Versetzung unternehmen?

Selbst wenn mein Arbeitgeber jahrelang nicht von seinem Direktionsrecht Gebrauch gemacht hat, schafft dies keinen Vertrauenstatbestand dahingehend, dass dies auch in Zukunft so bleibt. Besonders bei Umstrukturierungen oder Stellenabbau können Versetzungen – etwa an eine andere Betriebsstätte – eine Maßnahme sein, Mitarbeiter zur Eigenkündigung zu bewegen. Nur in Ausnahmefällen, bei Hinzutreten besonderer Umstände wird man argumentieren können, dass sich das Arbeitsverhältnis auf einen bestimmten Inhalt oder einen bestimmten Ort „konkretisiert“ hat.

Eine rechtswidrige Weisung muss ich als Arbeitnehmer aber nicht befolgen. Gleichwohl besteht immer ein hohes Risiko, dass das Gericht die Versetzung anders einstuft als man selbst. Habe ich die Weisung dann erst mal ignoriert, riskiere ich eine Abmahnung bis hin zu einer verhaltensbedingten Kündigung wegen beharrlicher Arbeitsverweigerung. Ich laufe Gefahr, meinen Arbeitsplatz zu verlieren.

Einer Versetzung muss gerichtlich widersprochen werden.

Vor diesem Hintergrund ist es empfehlenswert, die Rechtswidrigkeit der Versetzung gerichtlich feststellen zu lassen. Bis dahin sollte man der Weisung Folge leisten. In besonders gelagerten Fällen kann auch ein einstweiliges Verfügungsverfahren in Betracht gezogen werden. Dies erfordert neben dem Verfügungsanspruch – das ist die Frage der Rechtmäßigkeit der Versetzung – einen sogenannten Verfügungsgrund. Ich muss vor Gericht glaubhaft machen, warum ein Abwarten im Hauptsacheverfahren für mich mit unzumutbaren Nachteilen verbunden ist. Diese können beispielsweise darin begründet sein, dass die Versetzung offensichtlich rechtswidrig, sie mit Gesundheitsgefahren für mich verbunden ist oder ich die Kinderbetreuung nicht sicherstellen kann.

Der Betriebsrat ist einzubeziehen

Darüber hinaus sollte ich mich unbedingt mit meinem Betriebsrat in Verbindung setzen. Der Arbeitgeber darf mich in Betrieben mit mehr als 20 wahlberechtigten Arbeitnehmern ohne Zustimmung des Betriebsrats erst einmal nicht versetzen. Der BR kann allerdings nach § 99 Abs. 2 BetrVG die Zustimmung zur Versetzung nicht grundlos verweigern, sondern nur, wenn gerechtfertigte Gründe vorliegen, etwa wenn „der betroffene Arbeitnehmer durch die personelle Maßnahme benachteiligt wird, ohne dass dies aus betrieblichen oder in der Person des Arbeitnehmers liegenden
Gründen gerechtfertigt ist.“ Gleichwohl stärkt es mir den Rücken, wenn der Betriebsrat die Position des Arbeitgebers zu blockieren versucht, und dies schafft Zeit und Raum für Verhandlungen.

Ein Zwischenzeugnis rechtzeitig ausstellen lassen

Bevor ich Schritte gegen eine Versetzung einleite oder diese akzeptiere, sollte ich daran denken, mir bei einem Wechsel in Arbeitsort oder Arbeitsinhalt ein Zwischenzeugnis ausstellen zu lassen. Nicht selten ist der Wechsel mit weitergehenden beruflichen Veränderungen verbunden. Gerade wenn die Umstände auf eine Beendigung des Arbeitsverhältnisses zusteuern, sollte man im Besitz eines möglichst guten und aktuellen Zwischenzeugnisses sein.
 
Anna Born, Pflüger Rechtsanwälte GmbH

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