eNews 58 | Juli 2016

BVV im Umbruch – Folgen der Niedrigzinsphase für BVV-Altverträge

Mehr als 350.000 Beschäftigte und über 700 Unternehmen in Deutschland sind im BVV zusammengeschlossen; er ist damit eines der wichtigsten Unternehmen im Bereich der betrieblichen Altersvorsorge. Die dauerhaft niedrigen Zinsen bedeuten auch für den BVV ein schwieriges Anlageumfeld, so dass am 24. Juni 2016 in der Mitgliederversammlung beschlossen wurde, die Rentenfaktoren in Tarifen mit einem kalkulatorischen Rechnungszins von vier Prozent für Rentenbausteine aus künftigen Beiträgen zu reduzieren. Bei der aktuellen wirtschaftlichen Entwicklung ist ein Zins von vier Prozent nicht mehr erreichbar. Diese Änderung gilt für Beitragszahlungen ab dem 1. Januar 2017. Die bis dahin erworbenen Rentenbausteine bleiben unberührt. Betroffen sind all diejenigen Mitarbeiter, deren Versorgungsverträge spätestens bis zum 31. Dezember 2004 abgeschlossen wurden.

Doch welche Auswirkungen hat die Reduzierung der Rentenfaktoren auf Verträge mit sogenannten Alttarifen? Ist der Arbeitgeber hier vielleicht sogar gehalten, die entstehende Differenz auszugleichen (sogenannte Einstandspflicht)?

Die Beantwortung dieser Frage hängt maßgeblich davon ab, in welcher Form die betroffenen Arbeitnehmer die Versorgungszusage ihres Arbeitgebers erhalten haben.

Arbeitsvertrag oder Betriebsvereinbarung regeln Versorgungsanspruch

Sichert der Arbeitgeber das Versorgungsversprechen im Arbeitsvertrag oder in einer Betriebsvereinbarung zu, dann ist danach zu differenzieren, ob es sich um eine sogenannte „dynamische“ oder „statische“ Verweisung auf die Regelungen des BVV handelt.
 
Die „dynamische Verweisung“

nimmt auf die jeweils geltende Satzung des BVV Bezug. Eine beispielhafte Formulierung einer solchen dynamischen Klausel könnte folgendermaßen lauten: „Für die Altersversorgung gelten die Satzung und die Versicherungsbedingungen (im Tarif xy) der BVV Pensionskasse/der BVV Versorgungskasse in ihrer jeweils geltenden Fassung“.

Problematisch bei einer solchen Formulierung ist, dass sich der Inhalt der Versorgungszusage bei einer Änderung der Satzung des BVV ebenfalls ändert. Die Absenkung der Rentenfaktoren, die in der Mitgliederversammlung am 24. Juni 2016 beschlossen wurde, führt in diesem Fall automatisch dazu, dass sich die Versorgungszusage des Arbeitgebers ebenfalls nur noch auf den abgesenkten Rentenzins bezieht.
 
Eine „statische Verweisung“

in einer arbeitgeberseitigen Zusage bezieht sich hingegen auf einen zu einem bestimmten Zeitpunkt geltenden Tarif bzw. Leistungsplan des BVV. Sie könnte wie folgt lauten: „Die Versorgung richtet sich nach dem Leistungsplan XY der BVV Unterstützungskasse in der Fassung vom 01. Januar 2010.“

Die Versorgung nach dem Leistungsplan in der Fassung vom 01. Januar 2010 ist in diesem Fall unabhängig davon garantiert, ob sich der Leistungsplan durch Beschluss der Mitgliederversammlung zu einem späteren Zeitpunkt ändert.

Ob die beschlossene Satzungsänderung eine Auswirkung auf die Höhe des Anspruchs auf betriebliche Altersversorgung hat oder nicht, hängt in einem ersten Schritt somit maßgeblich von der Frage ab, ob die Versorgungszusage eine statische oder ein dynamische Verweisung auf die Regelungen des BVV beinhaltet.

Muss der Arbeitgeber die Verluste ausgleichen?

Selbst wenn sich im Arbeitsvertrag oder in der Betriebsvereinbarung eine dynamische Klausel befindet, die grundsätzlich zur Änderung der Versorgungszusage des Arbeitgebers entsprechend der Satzungsänderung beim BVV führt, ist die Frage einer etwaigen Einstandspflicht des Arbeitgebers von der Verhältnismäßigkeit der vom BVV beschlossenen Änderung abhängig. Entspricht die Neuregelung nicht den Grundsätzen des Vertrauensschutzes und der Verhältnismäßigkeit, so hat der Arbeitgeber für die entstandene Diskrepanz einzustehen.

Zur Frage der Verhältnismäßigkeit und des Vertrauensschutzes hat das Bundesarbeitsgericht die „3-Stufen-Theorie“ entwickelt. Je intensiver der Arbeitgeber in die (bereits erdienten) Anwartschaften des Arbeitnehmers eingreift, desto schutzwürdiger ist die Position des Arbeitnehmers. Da in diesem Fall lediglich zukünftige Rentenbausteine niedriger verzinst werden sollen, ist von einem Eingriff auf der dritten und daher am wenigsten schutzwürdigen Stufe auszugehen.

Dennoch haben die meisten Banken ihren Mitarbeitern bereits zugesagt, dass sie die entstehende Leistungsdifferenz ausgleichen werden, damit die Arbeitnehmer durch den Beschluss der Mitgliederversammlung des BVV keine Nachteile erleiden müssen. Es ist zu vermuten, dass diese Zusagen nicht aus reinem Altruismus gemacht wurden, sondern weil auch die Banken von einer solchen Einstandspflicht ausgehen.

Eine anwaltliche Prüfung der Verträge kann für Arbeitnehmer oder Betriebsräte Klarheit über Ansprüche gegenüber dem Arbeitgeber schaffen.
 
Anna Born und Stefanie Rahbari, Pflüger Rechtsanwälte GmbH

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