eNews 58 | Juli 2016

Mindestlohn – Sonderzahlungen dürfen im Einzelfall angerechnet werden

Ende Juni hat eine Kommission von Arbeitgeber- und Beschäftigtenvertretern beschlossen, den derzeitigen Mindestlohn von 8,50 Euro ab Januar 2017 auf 8,84 Euro pro Stunde zu erhöhen. Grundlage der Entscheidung war der sogenannte Tarifindex, also die Anpassung an die Steigerung des durchschnittlichen tariflichen Stundenlohns. Bereits am 1. Januar 2015 war das Mindestlohngesetz (MiLoG) in Kraft getreten. Das Arbeitsentgelt je Zeitstunde darf seither 8,50 Euro nicht unterschreiten. Fraglich war jedoch, ob der Arbeitgeber Sonderzahlungen so verändern kann, dass sie Teil des Mindestlohns werden. Darf also ein Arbeitgeber Urlaubs- und Weihnachtsgeld auf den gesetzlichen Mindestlohn anrechnen? 

Diese Frage hat nun aktuell das Bundesarbeitsgericht (BAG) am 25. Mai 2016 entschieden (Az. 5 AZR 185/15). Im zu verhandelnden Fall war eine Klinik auf die Idee gekommen, das den Mitarbeitern zustehende Urlaubs- und Weihnachtsgeld zu zwölfteln und dem unter dem Mindestlohn liegenden Grundeinkommen zuzuschlagen. Damit sollte der Mindestlohn eingehalten werden. Eine Mitarbeiterin der Klinik-Cafeteria klagte. Sie hielt das Manöver des Arbeitgebers für eine Gesetzesumgehung. Das BAG folgte dem nicht und wies die Forderungen der Frau zurück. In den Arbeitsverträgen der Klinikmitarbeiter waren Urlaubs- wie Weihnachtsgeld an die im Kalenderjahr erbrachte Arbeitsleistung geknüpft. Auszahlungszeitpunkte waren Mai und November. Die Klinik schloss Ende 2014 mit dem Betriebsrat eine Betriebsvereinbarung, welche die Fälligkeitstermine abänderte. Die Sonderzahlungen sollten ab 2015 zu jeweils einem Zwölftel mit der Monatsvergütung ausgezahlt werden. Das BAG entschied, dass es Arbeitgeber und Betriebsrat erlaubt ist, vertragliche Fälligkeitsbestimmungen zu ändern. Vorauszusetzen ist, dass die Vertragsklauseln für eine Vielzahl von Verträgen verwandt werden und damit ein kollektiver Tatbestand vorliegt. Dann besteht ein Mitbestimmungsrecht hinsichtlich der Fälligkeit solcher Zahlungen.  

Sonderzahlungen enthalten Mindestlohnanteile

Das BAG sah in den anteiligen Zahlungen des Urlaubs- und Weihnachtsgelds jeweils Mindestlohnanteile. Unabhängig von ihrer Bezeichnung ist dies bei Sonderzahlungen der Fall, die Arbeitnehmer als Gegenleistung für ihre Arbeit erhalten. Die Auszahlung sowohl des Urlaubs- als auch des Weihnachtsgeldes war im Fall der Cafeteria-Mitarbeiterin nur an die Dauer des Arbeitsverhältnisses im jeweiligen Jahr gebunden. Die Zahlung des Urlaubsgeldes hing nicht davon ab, dass die Beschäftigte ihren Urlaub tatsächlich nahm. Zweck der Leistung war es nicht, die im Urlaub höheren Lebenshaltungskosten zu bezuschussen. Auch das Weihnachtsgeld war bloße Gegenleistung für während der Dauer des Jahres geleistete Arbeit. Es war auch an Arbeitnehmer zu zahlen, die Weihnachten nicht feiern. Nach ihrer Zwecksetzung konnten beide Sonderzahlungen daher auf den Mindestlohn angerechnet werden. Arbeitgeber umgehen daher das Mindestlohngesetz nicht, wenn sie Sonderzahlungen für die normale Arbeitsleistung im Rahmen einer Zwölftelungsregel auf die Grundvergütung schlagen. Sie müssen den Betriebsrat beteiligen, der im Interesse der Beschäftigten darauf zu achten hat, dass der Zweck der Sonderzahlungen nur die Gegenleistung zu im Jahr erbrachter Arbeit ist. Betriebsräte sollten vor diesem Hintergrund bei einem Abschluss von Betriebsvereinbarungen diese aktuelle Rechtsprechung im Blick behalten, um etwaige Benachteiligungen von Beschäftigten auf Basis des Mindestlohnes zu vermeiden.
 
Dr. Norbert Pflüger, Pflüger Rechtsanwälte GmbH

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