eNews 58 | Juli 2016

Gastbeitrag

Verhandeln oder klagen – wie können Betriebsräte bei Kündigungen agieren?

Die betriebliche Mitbestimmung gewährt Arbeitnehmern in deutschen Unternehmen unterschiedlich weitgehende Rechte der Mitsprache. Mitreden können Arbeitnehmer aber nur, wenn ein Betriebsrat gewählt ist. Dieser ist dann der rechtliche Vertreter der Arbeitnehmer, etwa wenn es um die Regelung der Arbeitszeit, wie Schichtpläne, Gleitzeit oder Zeiterfassung geht; er verhandelt aber auch bei Fragen zur Altersteilzeit, zur Ausstattung des Arbeitsplatzes und nicht zuletzt bei Kündigungen. Besonders bei Kündigungen stehen Betriebsräte immer wieder vor der Herausforderung, wie sie auf diese im Sinne des Betroffenen und des Unternehmens richtig agieren.

Bei einer Kündigung muss der Arbeitgeber den Betriebsrat anhören. Werden bei der Anhörung nicht alle Gründe offen dargelegt, ist der Arbeitgeber in einem Kündigungsschutzprozess im Nachteil. Gründe, die er bei der Anhörung dem Betriebsrat nicht mitgeteit hat, kann er im Prozess nicht verwenden. Bei der Kündigung eines einzelnen Mitarbeiters kann der Betriebsrat entscheiden, ob er dieser widerspricht. Häufig werden betriebsbedingte Gründe vom Arbeitgeber angeführt, hinter denen sich allerdings ein zerrüttetes Verhältnis zwischen Führungskraft und Beschäftigtem verbirgt. Für den Betriebsrat stellt sich dann die Frage: Wie finden wir die angemessene Sichtweise und wie reagieren wir?

Kündigungen sind oft die Spitze des Eisbergs

Die betriebliche Erfahrung zeigt, dass die Kündigung oft den Endpunkt einer längeren Entwicklung darstellt. Verfolgt man den Faden zurück, dann stehen am Anfang Missverständnisse, unklare Anweisungen, ungeschicktes Verhalten oder Unter- bzw. Überforderung des Mitarbeiters. Der Konflikt betrifft in der Regel beide Seiten: Mitarbeiter und Führungskraft. Beide verkennen über lange Zeit die Anzeichen für wachsende Schwierigkeiten und Kontroversen. Und beide Seiten finden keinen Ansatz, die Entwicklung anzuhalten oder gar umzudrehen.

Wie kann der Betriebsrat proaktiv agieren?

Stellen wir uns in einer solchen Situation vor, ein Betriebsrat könnte schon in der Anfangsphase anbieten, hier zu unterstützen und zu vermitteln; persönlich und vertraulich, vor allem daran interessiert eine Eskalation zu verhindern.

Aus meiner Erfahrung als Outplacement-Berater öffnen sich folgende Wege:

  • Dem Mitarbeiter beratend beistehen, die Probleme ernst nehmen und die Perspektive der anderen Seite vermitteln: „Bei Deinem Chef solltest Du darauf achten, was ihm wichtig ist. Es kann ihn verärgern, wenn zu einem Problem keine Lösungsidee angeboten wird. Er will etwa auch frühzeitig informiert werden, sollte absehbar sein, dass ein Termin nicht gehalten werden kann.“
  • Die Personalabteilung einschalten und auf die Probleme hinweisen, um gemeinsam nach Lösungen zu suchen … „Da scheint sich etwas anzubahnen …!“
  • Der Führungskraft anbieten, völlig informell zu vermitteln … „Ich kann mal mit ihm reden …“  

Sich als Betriebsrat frühzeitig einzuschalten, ist ein wohlmeinender Hinweis: Zu diesem Zeitpunkt aktiv zu werden, bietet die Chance, ohne Konfrontation oder Kampfansage eine Negativ-Spirale zu unterbrechen.  

Braucht der Betriebsrat für die Vermittlung eine besondere Qualifikation?

Nein, er braucht keine Diplomaten-Laufbahn und keine Ausbildung als Psychologe. Notwendig sind Offenheit für beide Seiten, Sensibilität und Fingerspitzengefühl, eine solide Vertrauensbasis und die Akzeptanz seiner Rolle als Vermittler. Fehlen diese jedoch und ist der Sachverhalt schon eskaliert, weil sich Betroffene etwa zu spät ratsuchend an den Betriebsrat gewandt haben, kann es nützlich sein,

… sich mit jemanden von der Personalabteilung zu besprechen und diese möglicherweise einzubeziehen

… oder eine neutrale Person, etwa einen Coach, für den Betriebsrat hinzuziehen

… und in jedem Fall mit anwaltlicher Unterstützung die arbeitsrechtlichen Fragen und möglichen Konsequenzen im Detail auszuloten.

Bedacht werden sollte von beiden Seiten, dass Kündigung immer der letzte Schritt sein sollte, wenn Alternativen ausscheiden, wie der Wechsel des Mitarbeiters in eine andere Abteilung oder eine Schulung oder ein Coaching der Führungskraft, sollte diese etwa eine hohe Fluktuations-Quote aufweisen.
 
Steven Goldner

Dr. Steven Goldner

arbeitet als selbstständiger Berater und berät seit 25 Jahren Menschen in vielen Branchen und auf allen Ebenen bei der Suche nach einer neuen beruflichen Perspektive. Als Diplom-Psychologe geht er ganzheitlich vor: Er begleitet und unterstützt seine Klienten bei allen Schritten während der Job-Suche. Er ist beständiger Ansprechpartner im Neuorientierungsprozess und betreut seine Klienten bis zum Ende der Probezeit. Sein Vorgehen überzeugt: nach über 400 Klienten liegt seine Vermittlungsquote bei 100 Prozent. Mit Pflüger Rechtswälte GmbH verbindet ihn eine langjährige und konstruktive Zusammenarbeit. Mehr hier.

Schulung: Kündigungen – eine Herausforderung
für Betriebsräte

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