eNews 63 | Juni 2017

Neue Regeln für Leiharbeit

Mehr als eine Million Arbeitnehmer und Arbeitnehmerinnen waren 2016 laut Angaben der Bundesagentur für Arbeit als Leiharbeitnehmer beschäftigt. Da diese meist schlechter gestellt sind als die Stammbelegschaft eines Unternehmens, hat die Politik eine Novellierung des Arbeitsüberlassungsgestzes (AÜG) erarbeitet und verabschiedet. Für den Einsatz von Leiharbeitnehmern in Unternehmen gelten seit dem April 2017 neue gesetzliche Regelungen. Diese betreffen vor allem die Entleihdauer sowie die Anpassung der Gehaltniveaus. Was sich konkret ändert, erfahren Sie hier.

1. Der Überlassungszeitraum wird begrenzt

Gemäß § 1 Abs. 1b AÜG dürfen Leiharbeitnehmer seit dem 1. April 2017 beim Entleiher maximal 18 Monate eingesetzt werden. Zeiten vor diesem Stichtag werden nicht angerechnet. Wird die Überlassung für die Höchstdauer überschritten, kommt ein Arbeitsverhältnis mit dem Entleiher zustande, sofern der Leiharbeitnehmer diesem nicht widerspricht.

Es gibt allerdings Ausnahmen: Durch Tarifvertrag der Einsatzbranche kann die Höchstüberlassungsdauer über den Zeitraum von 18 Monaten hinaus verlängert werden. Das Gesetz sieht hier keine Höchstgrenze vor. Zudem können auch nicht-tarifgebundene Unternehmen im Geltungsbereich eines solchen Tarifvertrages durch Betriebsvereinbarung die Höchstüberlassungsdauer anheben, allerdings nur auf maximal 24 Monate.

In einem betriebsratslosen Entleihbetrieb ohne Tarifbindung ist eine Ausnahme dagegen ausgeschlossen. Die Zeitarbeitsbranche selbst kann keine tariflichen Ausnahmen mit den Gewerkschaften vereinbaren, sodass es bei maximal 18 Monaten Überlassungsdauer bleibt.

Soll ein Leiharbeitnehmer im selben Unternehmen mehrmals eingesetzt werden, sieht das Gesetz eine Unterbrechungsfrist von drei Monaten vor. Erst danach wird der Einsatz bei diesem Entleiher zum „Neueinsatz“.

2. Equal Pay – gleicher Lohn für gleiche Arbeit

Immer wieder wurde kritisiert, dass Leiharbeiter im Vergleich zur Stammbelegschaft bei gleicher Tätigkeit deutlich niedrigere Löhne erhalten. Künftig müssen Leiharbeitnehmer spätestens nach neun Monaten entsprechend ihrer Kollegen bei gleicher Tätigkeit gleich bezahlt werden. Ein bislang ungeklärtes Problem hierbei ist, wie das Vergleichsentgelt ermittelt wird und welche Gehaltsbestandteile zur Berechnung des vergleichbaren Entgelts eines Stammmitarbeiters einzubeziehen sind. Über entsprechende Klauseln im Überlassungsvertrag könnten notwendige Informationen zur Lohnstruktur beim Entleiher künftig verpflichtend eingefordert werden.

Ausnahmen sind durch sogenannte Branchenzuschlagstarifverträge möglich, die eine schrittweise Erhöhung der Vergütung für Leiharbeitnehmer vorsehen. Nach 15 Monaten greift aber auch hier der Gleichbehandlungsgrundsatz.

3. Verbot der Vorratserlaubnis

In § 1 Abs. 1 S. 5 AÜG heißt es seit dem 1. April 2017 „Verleiher und Entleiher haben die Überlassung von Leiharbeitnehmern in ihrem Vertrag ausdrücklich als Arbeitnehmerüberlassung zu bezeichnen, bevor sie den Leiharbeitnehmer überlassen oder tätig werden.“ Bislang war es möglich, einen Vertrag als Dienst- oder Werkvertrag zu bezeichnen. Wenn sich eine Tätigkeit im Nachhinein als Arbeitnehmer-Überlassung herausstellte, konnte der Verleiher eine auf Vorrat beantragte Arbeitnehmerüberlassungserlaubnis vorweisen. Diese Vorratserlaubnis oder Fallschirmlösung ist zukünftig nicht mehr möglich, denn das Gesetz verlangt im Vorfeld die Festlegung des Vertrages auf einen Dienst-/Werkvertrag oder eine Arbeitnehmerüberlassung. Liegt eine Arbeitnehmerüberlassung ohne eine entsprechende Bezeichnung im Vertrag vor, drohen erhebliche Bußgelder selbst dann, wenn der Verleiher eine Arbeitnehmerüberlassungserlaubnis besitzen sollte. Zudem haben Ver- und Entleiher vor Beginn der Überlassung die eingesetzten Leiharbeitnehmer konkret zu benennen.

4. Erweiterte Information des Betriebsrates

Auch im Betriebsverfassungsgesetz hat der Gesetzgeber Änderungen im Zusammenhang mit der Arbeitnehmerüberlassung vorgenommen. Konkret wurde § 80 Abs. 2 BetrVG erweitert, wonach der Betriebsrat im Unternehmen bei der Beschäftigung von Fremdpersonal insbesondere zum zeitlichen Umfang des Einsatzes, zum Einsatzort und zu den Arbeitsaufgaben rechtzeitig und umfassend zu unterrichten ist. Im Zusammenhang mit der Unterrichtung zur Personalplanung (§ 92 BetrVG) wurde auch der Einsatz von Fremdpersonal explizit aufgenommen. Damit sind dem Betriebsrat auf Verlangen alle Verträge vorzulegen, die dem Personaleinsatz zugrunde liegen. Grundlage des Personaleinsatzes sind zum Beispiel ein Werk-, Dienst- oder Arbeitnehmerüberlassungsvertrag.

Gemäß § 14 AÜG sind Leiharbeitnehmer nunmehr auch für die Berechnung der Schwellenwerte des BetrVG und bei der Unternehmensmitbestimmung – hier erst ab einer Einsatzdauer von sechs Monaten – zu berücksichtigen.

5. Kein Einsatz bei Streik

Unzulässig ist künftig, streikende Arbeitnehmer durch Leiharbeitnehmer als Streikbrecher zu ersetzen. Sofern die Leiharbeitnehmer schon vor dem Streik in dem Unternehmen tätig waren, dürfen sie auch während eines Streiks eingesetzt werden.

6. Sanktionen

Bei Verstößen gegen das geänderte Arbeitnehmerüberlassungsgesetz drohen den Ver- sowie Entleihern zukünftig erhebliche Sanktionen. So können empfindliche Bußgelder zwischen 1.000 bis 500.000 Euro verhängt, die Arbeitnehmerüberlassungserlaubnis entzogen oder ein Arbeitsverhältnis mit dem Entleiher begründet werden.
 
Saskia Steffen, Pflüger Rechtsanwälte GmbH

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