Lexikon Arbeitsrecht
Stichwort: Überstunden
Laut einer aktuellen Auskunft des Bundesarbeitsministerium (Stand 2016) arbeiten 1,7 Millionen Beschäftigte regelmäßig wöchentlich länger als 48 Stunden. Vor allem die Arbeit an Wochenenden, Feiertagen und im Schichtdienst hat in den letzten 20 Jahren zugenommen. Da ständige Mehrarbeit zum Teil drastische Auswirkungen für die Gesundheit hat, setzt das Arbeitszeitgesetz im Interesse der Beschäftigten der Mehrarbeit Grenzen.
Was sind aus arbeitsrechtlicher Sicht Überstunden und in welchem Umfang darf der Arbeitgeber erwarten, dass Mehrarbeit geleistet wird?
Die für den Arbeitnehmer maßgebliche Arbeitszeit ergibt sich regelmäßig aus dem Arbeits- oder Tarifvertrag. In Deutschland gilt in einigen Branchen tarifvertraglich noch die 37,5-Stunden-Woche. Arbeitet der Arbeitnehmer über die für sein Beschäftigungsverhältnis geltende Arbeitszeit hinaus, so leistet er Überstunden. Oftmals werden diese widerspruchslos akzeptiert und nicht jeder will Überstunden vermeiden. Aufgrund der damit verbundenen Mehrvergütung haben zahlreiche Beschäftigte den Wunsch nach ständiger Ableistung.
Wann darf der Arbeitgeber Überstunden anordnen und welche Grenzen gibt es?
Das Direktionsrecht gibt dem Arbeitgeber das Recht, die dem Rahmen nach umschriebenen Pflichten aus dem Arbeitsvertrag näher zu konkretisieren. Bei einer 40-Stunden-Woche also die Verteilung der 40 Stunden auf die einzelnen Werktage. Die Anordnung der Überstunden muss sich aus einer eigenen arbeitsrechtlichen Grundlage ergeben. Häufig sind das sogenannte „Anordnungsklauseln“ im Arbeitsvertrag. Das in Deutschland geltende Arbeitszeitgesetz (ArbZG) zum Schutz des Arbeitnehmers setzt diesem Direktionsrecht Grenzen. Es schränkt im Interesse der Gesundheit die Dauer der zulässigen Arbeitszeit ein.
Wann genau sich der Arbeitgeber außerhalb dieser Grenzen bewegt, ist in § 3 ArbZG geregelt. Hierin heißt es: „Die werktägliche Arbeitszeit der Arbeitnehmer darf acht Stunden nicht überschreiten. Sie kann auf bis zu zehn Stunden nur verlängert werden, wenn innerhalb von sechs Kalendermonaten oder innerhalb von 24 Wochen im Durchschnitt acht Stunden werktäglich nicht überschritten werden.“
Der 10-Stunden-Tag soll also die Ausnahme sein. Er ist nur zulässig, wenn innerhalb des Referenzzeitraums von sechs Kalendermonaten ein Ausgleich stattfindet. Werktage sind alle Tage, die nicht Sonn- oder Feiertage sind. Auf den Arbeitsalltag übertragen ergibt sich folgende Rechnung: Der gesetzliche Höchstrahmen für die Arbeitszeit beträgt 6 x 8 Stunden, also 48 Stunden in 48 Wochen (52 Jahreswochen abzüglich 4 Wochen gesetzlicher Urlaub) = 2304 Arbeitsstunden jährlich.
Bewegt sich also die Anordnung des Arbeitgebers außerhalb dieser Grenzen, darf der Arbeitnehmer die Arbeitsleistung verweigern. Die zuständige Aufsichtsbehörde – in Hessen die Regierungspräsidien – überwacht die Einhaltung des Arbeitszeitgesetzes und ahndet Zuwiderhandlungen mit Geldstrafen von 2.500 Euro pro Verstoß bis hin zur Freiheitsstrafe.
Der Betriebsrat ist nur einzubeziehen, wenn die betriebsübliche Arbeitszeit vorübergehend verlängert oder verkürzt werden soll. Betriebsüblichkeit setzt einen generellen Sachverhalt voraus. Es reicht nicht die Betroffenheit des Einzelnen, sondern es muss eine Vielzahl von bestimmten Arbeitsplätzen oder eine bestimmte Arbeitnehmergruppe erfasst sein. Dies ist beispielsweise der Fall, wenn Kurzarbeit oder umgekehrt zusätzliche Arbeits- oder Rufbereitschaft eingeführt werden soll.
Was genau sind Überstunden?
Aber nicht jede Anwesenheit am Arbeitsplatz ist gleichbedeutend mit geleisteter Arbeit im Sinne des Arbeitszeitgesetzes. Pausen oder Zeiten der Rufbereitschaft sind selbstverständlich abzuziehen.
Auch muss für bestimmte Personen- und Berufsgruppen die Arbeit nach anderen Erfordernissen verteilt und eingeteilt werden. Die speziellen Bedürfnisse von Arbeitgeber und Arbeitnehmer kennen die Sozialpartner am besten. So kann durch einen Tarifvertrag beispielsweise geregelt werden, dass die zulässige Tageshöchstgrenze über zehn Stunden hinaus verlängert werden kann, wenn in sie regelmäßig und in erheblichem Umfang Arbeitsbereitschaft oder Bereitschaftsdienst fällt. Das betrifft insbesondere die gesundheitliche Versorgung. Allerdings darf auch hier in einem Referenzzeitraum von einem Jahr die 48-Stunden-Woche nicht ohne Weiteres überschritten werden (§ 7 ArbZG).
Die tägliche, vergütete Arbeitszeit über acht Stunden hinaus kann zwar auch ohne Zeitausgleich durch Tarifvertrag verlängert werden. Dies erfordert aber zum einen die schriftliche Einwilligung aller Betroffenen, an deren Nichterteilung keine arbeitsrechtlichen Nachteile geknüpft werden dürfen, zum anderen muss die Gesundheit der Beschäftigten durch besondere Regelung sichergestellt werden. Dies kann beispielsweise eine regelmäßig stattfindende betriebsärztliche Untersuchung sein.
Im Sinne des Arbeitsschutzgesetzes gilt grundsätzlich: Die Gesundheit der Beschäftigten sollte immer im Vordergrund stehen!
Anna Born, Pflüger Rechtsanwälte GmbH
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