Gespräch und Diskussion

Daniel Cohn-Bendit: „Für Europa!“

Was ist das Modell für die Zukunft?

5. September 2013, Museum für Kommunikation
 

Europa in der Krise – es mehren sich die Stimmen, welche die Gemeinschaftswährung in Frage stellen, Austritts- und Spaltungsszenarien durchspielen. Aber es gibt auch engagierte Verfechter eines geeinten Europas wie Daniel Cohn-Bendit, der mit dem früheren belgischen Premierminister Guy Verhofstadt ein vehementes Plädoyer für mehr statt weniger Europa veröffentlicht hat. Am 5. September 2013 referierte er aus seinem Manifest „Für Europa!“ und stellte sich den kritischen Fragen des Publikums.

Als überzeugter Föderalist setzt er sich für die Schaffung der Vereinigten Staaten von Europa ein. Auf den ersten Blick eine Forderung, die von der Öffentlichkeit eher mit Skepsis aufgenommen werden dürfte. Dennoch findet sich in dem Manifest ein geschlossenes Konzept der Weiterentwicklung der Europäischen Union (EU), das gerade in der vielschichtigen Euro-Krise Interesse verdient, und das Cohn-Bendit im Gespräch mit Norbert Pflüger näher erläuterte.

Cohn-Bendit weist zu Recht darauf hin, dass Europa in der Globalisierung die vollkommene Marginalisierung droht, wenn es in Zukunft nicht in der Lage ist, eine einheitliche politische, insbesondere wirtschaftspolitische, aber auch außenpolitische Position zu entwickeln. Nur durch einen verstärkten Integrationsprozess wird die EU imstande sein, ihr Modell von Demokratie und Menschenrechten zu bewahren.

Funktionsvoraussetzungen für eine Föderalisierung Europas sind zum einen der Ausbau des Europäischen Parlaments zu einer echten Legislative mit Kontrollrechten gegenüber einer europäischen Regierung, zum anderen die Weiterentwicklung der Kommission in eine europäische Regierung. Das aber setzt voraus, dass Schluss sein muss mit der Instrumentalisierung der EU als einer rein zwischenstaatlichen Institution, in welcher letztlich die Nationalinteressen, insbesondere der großen Mitgliedsstaaten Deutschland und Frankreich, den anderen Nationen aufgezwungen werden.

Auf europäischer Ebene weitergedacht heißt das, für Europa muss gerade in der Finanz- und Steuerpolitik eine einheitliche Regierungsfunktion entwickelt werden. Ziel kann es dann aber nicht sein, in die Notlage geratene Länder wie Griechenland oder Portugal von einer Sparrunde in die nächste zu zwingen. Wachstumsimpulse können nur entstehen, wenn Mittel für den wirtschaftlichen Aufschwung durch die EU bereitgestellt werden. Auch Deutschland benötigte einen Marschallplan, um die Zerstörungen des letzten Krieges zu überwinden, und musste dankbar sein, dass man ihm in der Londoner Konferenz 1951 seine drückenden Schulden erließ.

Ein postnationales Europa funktioniert laut Cohn-Bendit aber letztlich nicht ohne eine Abkehr von einer „nationalen Identität“ und die Hinwendung zu einer Multikulturalität, wie sie Cohn-Bendit als Gründer des entsprechenden Amtes in Frankfurt am Main bereits vor Jahrzehnten vorgedacht hat.

Daniel Cohn-Bendit, geboren in Frankreich, aufgewachsen in Deutschland, war 1968 der prominenteste Sprecher der Studentenbewegung in Paris und Frankfurt. Seit 1984 ist er Mitglied der Grünen und seit 1994 für die französischen wie deutschen Grünen im Europaparlament. 2012 veröffentlichte er zusammen mit dem belgischen Liberalen Guy Verhofstadt das Manifest Für Europa!