Lexikon Arbeitsrecht

Stichwort: Sonderkündigungsschutz

Kündigungsschutz für besonders schutzwürdige Arbeitnehmer

Neben dem allgemeinen Kündigungsschutz (§§ 1, 23 Abs. 1 KSchG) existieren spezielle Regelungen, welche besonderen Arbeitnehmergruppen einen sogenannten Sonderkündigungsschutz gewähren. Der Gesetzgeber hat Sonderkündigungsschutzregelungen in unterschiedlicher Intensität etabliert. Sie gewähren den schutzbedürftigen Arbeitnehmern eine weitreichende Absicherung. Diese soll beispielsweise die Funktionsfähigkeit der Betriebsverfassung sicherstellen – wie im Fall des Schutzes der Betriebsratsmitglieder – oder aber grundrechtlich schutzwürdigen Positionen Rechnung tragen – wie bei Müttern und Schwangeren oder auch Schwerbehinderten.

Einen besonderen Kündigungsschutz genießen deshalb beispielsweise Betriebsräte, Bewerber zu Betriebsratswahlen, Wahlvorstände, politische Mandatsträger, Auszubildende, Schwangere oder Schwerbehinderte. Das Gesetz gestaltet diesen Schutz unterschiedlich aus, teilweise kombiniert es verschiedene Schutzmechanismen.

Ausschluss der ordentlichen Kündigung: Betriebsräte und politische Mandatsträger

Für Amtsträger der Betriebsverfassung ist in § 15 Abs. 1 Satz 1 KSchG geregelt, dass die Kündigung unzulässig ist, soweit nicht Tatsachen vorliegen, die den Arbeitgeber zu einer Kündigung aus wichtigem Grund ohne Einhaltung einer Kündigungsfrist berechtigen. Damit ist letztlich die ordentliche Kündigungsmöglichkeit ausgeschlossen. Dieser Schutz gilt insbesondere für Betriebsratsmitglieder, Mitglieder des des europäischen Betriebsrats sowie Mitglieder der Schwerbehindertenvertretungen. Gemäß § 15 Abs. 3 Satz 1 KSchG gilt Entsprechendes für Wahlbewerber und Mitglieder des Wahlvorstandes.

Unter diesen Regelungsmechanismus fällt auch der Kündigungsschutz gegenüber Mitgliedern der Abgeordneten eines Kreistags in Hessen (§ 28a Abs. 2 Satz 1 HKO) oder auch den Mitgliedern der Gemeindevertretung in Hessen (§ 35a Abs. 2 Satz 1 HGO).

Für die genannten Abgeordneten wie für die ordentlichen Mitglieder der Arbeitnehmervertretungen als auch deren Wahlbewerber und Wahlvorstandsmitglieder sieht das Gesetz zudem einen so genannten nachwirkenden Kündigungsschutz vor, der sich an den Zeitraum nach Amtsbeendigung bzw. Abschluss der Wahl anschließt. Eine Kündigung kann der Arbeitgeber dann ebenfalls lediglich unter den hohen Voraussetzungen des § 626 BGB aussprechen.

Besonderer Schutz auch für Auszubildende und Betriebsbeauftragte

Ein Ausschluss der ordentlichen Kündigungsmöglichkeit ist zudem für Auszubildende in § 22 Abs. 2 Nr. 1 BBiG geregelt. Danach kann ein Ausbildungsverhältnis im Anschluss an die Probezeit durch den Ausbilder lediglich aus wichtigem Grund gekündigt werden.

Weitere Schutzregelungen, die den Ausschluss der ordentlichen Kündigungsmöglichkeit regeln, finden sich für sogenannte Betriebsbeauftragte. So ist beispielsweise gemäß § 58 Abs. 2 Satz 1 BImSchG die Kündigung gegenüber einem Immissionsschutzbeauftragten ebenfalls nur dann möglich, wenn Tatsachen vorliegen, die den Betreiber zu einer Kündigung aus wichtigem Grund ohne Einhaltung einer Kündigungsfrist berechtigen. Auch dieser Schutz des Immissionsschutzbeauftragten wird für die Zeit nach seiner Amtsausübung ausgedehnt. So bleibt der Ausspruch der ordentlichen Kündigung für einen Zeitraum von einem Jahr nach der Abberufung weiterhin unzulässig. Entsprechendes gilt etwa für den Störfallbeauftragten nach dem BImSchG sowie den Abfallbeauftragten nach dem KrW-/AbfG.

Kündigung des Arbeitgebers lediglich unter dem Vorbehalt der Zustimmung eines Dritten

Für einzelne Personengruppen sieht das Gesetz einen grundsätzlichen Ausschluss der Kündigungsmöglichkeit im Ganzen vor. Dies gilt etwa im Hinblick auf Schwangere (§ 9 Abs. 1 Satz 1 MuSchG). Auch für Eltern in der Elternzeit ist ein grundsätzlicher Ausschluss der Kündigungsmöglichkeit geregelt worden (§ 18 Abs. 1 Satz 1 und Abs. 2 Satz 1 Nr. 1 BEEG).

In beiden Fällen ist eine Kündigung jedoch nicht unbedingt ausgeschlossen. Sie steht vielmehr unter einem Zustimmungsvorbehalt. Die gesetzliche Regelung sieht vor, dass mit der Zustimmung der zuständigen Behörde die Kündigung gegenüber Schwangeren oder Wöchnerinnen erklärt werden kann. Hier kann die zuständige Behörde die Zustimmung zur Kündigung erteilen, wenn ein „besonderer Fall“ vorliegt, der nicht mit dem Zustand der Frau während der Schwangerschaft oder der Wöchnerinnenzeit im Zusammenhang steht. Dabei ist es nicht notwendig, dass ein wichtiger Grund im Sinne des § 626 Abs. 1 BGB gegeben ist. Ähnliches gilt für Väter und Mütter in der Elternzeit. Auch hier kann gemäß § 18 Abs. 1 Satz 2 und 3 BEEG die Kündigung durch die zuständige Behörde für zulässig erklärt werden, wenn ein „besonderer Fall“ „ausnahmsweise“ gegeben ist.

In ähnlicher Weise ist beispielsweise die Kündigung gegenüber einem Schwerbehinderten oder diesem gleichgestellten Menschen nur eingeschränkt zulässig. Gemäß § 85 SGB IX bedarf die Kündigung gegenüber diesen Arbeitnehmern, sofern das Arbeitsverhältnis sechs Monate ununterbrochen bestanden hat, der Zustimmung des Integrationsamts. Dies gilt gemäß § 91 Abs. 1 SGB IX auch für eine außerordentliche Kündigung im Sinne des § 626 BGB.

Darüber hinaus existieren Sonderkündigungsschutzregelungen, welche die Kündigungsmöglichkeit auf das Vorliegen eines wichtigen Grundes beschränken und dies zusätzlich mit dem Vorbehalt einer Zustimmung durch Dritte kombinieren. In diesem Zusammenhang ist beispielsweise die Kündigung gegenüber Mitgliedern des Betriebsrats zu nennen. Wie bereits angesprochen sind diese gemäß § 15 Abs. 1 Satz 1 KSchG nur außerordentlich aus wichtigem Grund kündbar. Darüber hinaus hat das Gesetz vorgesehen, dass selbst die außerordentliche Kündigung der Zustimmung des Betriebsrates gemäß § 103 BetrVG bedarf. Ist diese Zustimmung nicht gegeben und auch nicht durch ein Arbeitsgericht ersetzt worden, ist selbst die außerordentliche Kündigung unzulässig.

Dr. René von Wickede, Pflüger Rechtsanwälte GmbH

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