eNews 68 | Juni 2018

Gastbeitrag

Kündigung nach Burnout? Was Arbeitgeber berücksichtigen sollten

Mitarbeiter, die an Burnout erkranken, stehen einem Unternehmen in der Regel für längere Zeit nicht zur Verfügung. Denn mit Burnout ist meist eine lange Krank­schreibung verbunden, deren Ende nicht immer klar abzusehen ist. Für Kollegen wie Arbeitgeber eine schwierige Situation. Sollte der Arbeitgeber in diesem Fall eine krankheitsbedingte Kündigung in Erwägung ziehen?
 

Eine solche Entscheidung ist gut abzuwägen, da einige Gründe dagegen sprechen:

Arbeitsrechtlicher Nachweis:

Die Voraussetzungen einer Kündigung lassen sich arbeitsrechtlich kaum stichhaltig darlegen. Alleine der Nachweis für eine krankheitsbedingte, langfristige „Störung im Betriebsablauf“ ist wenig realistisch. Das Unternehmen sorgt außerdem schon aus Eigeninteresse für Ersatzlösungen, um den Ablauf aufrecht zu erhalten.

Befremden der Kollegen:

Andere Mitarbeiter sehen im Burnout-Betroffenen meist keinen Kollegen der „krank feiert“. Betroffene gelten eher als besonders identifiziert mit der Arbeit, loyal und leistungsorientiert mit extrem hohen Zielen. Diese Eigenschaften bei Burnout-Betroffenen durch Kündigung zu bestrafen, würde in der Belegschaft zumindest Befremden auslösen.

Fürsorgepflicht des Arbeitgebers:

Dass möglicherweise über längere Zeit Stress-Symptome übersehen wurden, könnte als „Mitschuld“ angesehen werden. Ein Burnout kann auch durch mangelnde Fürsorge­pflicht entstanden sein. So kann das Vermeiden einer Kündigung auch als eine Art Wiedergutmachung angesehen werden.

Auch wenn bei Burnout der Arbeitgeber eine lange Krankheitszeit befürchten muss, ist es keine gute Lösung, reflexartig an Kündigung zu denken. Sinnvoller ist es, sich als Arbeitgeber ähnliche Fragen zu stellen, wie der Betroffene selbst:

  • Wie lässt sich erneutes Ausbrennen vermeiden?
  • Wie kann eine gesunde Balance zwischen erforderlicher Leistung und Verausgabung gefunden werden?
  • Ist diese Balance im bisherigen Job zu erreichen oder wäre ein Wechsel sinnvoll?

Wie kann ein Wiedereinstieg nach Burnout gelingen?

Aus Sicht der Personalentwicklung bietet es sich an, den bewährten Weg wie bei anderen längerfristigen Erkrankungen zu beschreiten: „Wiedereingliederung mit vereinbarten Auflagen und Konsequenzen“. Dazu zählen systematische Schritte wie in einem Fitness-Programm: langsam steigende Stundenzahl und langsam zunehmende Leistung sowie Begleitung und Reflektion.

Bei Burnout ist in der Wiedereingliederung darüberhinaus zu fragen:

  • Passt das bisherige Aufgabenprofil weiterhin oder sollte es modifiziert werden?
  • Sollte der Grad an Verantwortung kleiner oder verändert werden?
  • Welche „inneren“ Lernprozesse sind nötig und zu fördern (Umgang mit Zielen, Zeit, Mitarbeitern)?
  • Was kann das Team unterstützend beitragen?
  • Gibt es außergewöhnliche Anforderungen an die Führungskraft?

Eine Wiedereingliederung nach Burnout hat zudem mehr Erfolg, wenn diese Prinzipien den Prozess leiten:

Führungskräfte qualifizieren

Sie sollten die Symptome von Überforderung und Krisen rechtzeitig erkennen und (Gegen)Maßnahmen im Arbeitsablauf ergreifen können (betrifft Ziele, Aufgaben, Zeiterfassung usw.) sowie HR oder andere vertrauliche Beratungsinstanzen einschalten.

Selbstmanagement der Mitarbeiter fördern

Wichtig ist die Vermittlung, dass Freizeit zur Erholung und zum Ausgleich dient und man nach der Arbeit durch E-Mails oder Anrufe nur maßvoll erreichbar sein sollte. Mitarbeiter sollten ermutigt werden, übermäßige Anforderungen zu thematisieren.

Belastungsgrenzen respektieren

Produktionsbetriebe kennen und respektieren seit langem die Grenze der Produktivität von Maschinen. Bei Menschen erleben wir in diesen Jahren den Versuch, dauerhaft über 100 Prozent zu „fahren“, um die Leistung weiter zu steigern. Die Rückkehr nach Burnout ist ein guter Anlass, das Scheitern dieser Entwicklung zu erkennen und konstruktive Schlüsse zu ziehen.

Wenn Trennung der bessere Weg ist – Aufhebungsvertrag mit Outplacement

Im Einzelfall kann die Wiedereingliederung erfolglos sein oder sie stellt für den Mitarbeiter keine Option dar, da die Situation bis zur Erkrankung tiefe, traumatische Spuren hinterlassen hat.

Auch der Arbeitgeber kann eine Trennung ohne den Versuch der Wiedereingliederung befürworten, etwa wenn es Anzeichen dafür gibt, dass die psychische Stabilität des Mitarbeiters gering ist. Unabhängig vom betroffenen Mitarbeiter kann der Arbeitgeber auch skeptisch sein, ob die verantwortliche Führungskraft die notwendige Betreuung leisten kann. Anzustreben ist dann ein Aufhebungsvertrag, der im Wesentlichen dem üblichen „Paket“ entspricht, jedoch zwei Aspekte besonders berücksichtigt:

Die Laufzeit

Bei einer längeren Laufzeit des bestehenden Vertrages steht der Mitarbeiter bei der Suche nach einer neuen Tätigkeit weniger unter Zeitdruck. Also Laufzeit erhöhen und Abfindung entsprechend verringern.

Das Outplacement

Nach einem Burnout hat die Outplacement-Beratung mehr zu tun als sonst. Meist muss die Zielposition neu definiert werden (Aufgaben, Verantwortung, Unternehmenskultur usw.), die Such-Strategie dauert länger, weil viele Job-Möglichkeiten entfallen. Parallel muss die psychische Stabilität des Bewerbers gestärkt werden, was einen geschulten Hintergrund des Beraters erfordert

Am besten beide Wege kombinieren!

Wiedereingliederung garantiert keinen Erfolg. Wie nach anderen, krankheitsbedingten Fehlzeiten kann sie auch mit den größten Bemühungen scheitern. Dann ist Trennung und die Suche nach einer neuen Position die einzige Option. Faire Regeln dafür lassen sich frühzeitig vereinbaren – etwa bereits als Option zu Beginn der Wieder­ein­gliederung. Gerade bei Burnout kann diese Option den Mitarbeiter psychologisch stärken, denn Burnout erscheint nicht mehr als eigenes Versagen, die Angst wird geringer, beim Wiedereingliedern zu scheitern und die Suche nach einem neuen Job ist abgefedert, weil sie von Anbeginn begleitet wird.

Mit dieser Vorgehensweise demonstriert ein Arbeitgeber Fürsorgepflicht bei den Betroffenen und bei der Belegschaft. Präventive Maßnahmen statt Kündigung, eine intensive und individualisierte Wiedereingliederung sowie ein alternatives bzw. zusätzliches Angebot eines Aufhebungsvertrages vermeiden kostspielige wie imageschädigende Klagen und belohnen mit motivierten, leistungsstabilen Mitarbeitern.
 
Dr. Steven Goldner

Dr. Steven Goldner

arbeitet als selbstständiger Berater und berät seit 25 Jahren Menschen in vielen Branchen und auf allen Ebenen bei der Suche nach einer neuen beruflichen Perspektive. Als Diplom-Psychologe geht er ganzheitlich vor: Er begleitet und unterstützt seine Klienten bei allen Schritten während der Job-Suche. Er ist beständiger Ansprechpartner im Neuorientierungsprozess und betreut seine Klienten bis zum Ende der Probezeit. Sein Vorgehen überzeugt: nach über 400 Klienten liegt seine Vermittlungsquote bei 100 Prozent. Mit Pflüger Rechtswälte GmbH verbindet ihn eine langjährige und konstruktive Zusammenarbeit. Mehr hier.

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