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eNews 78 | November 2020

Betriebsbedingte Kündigungen während der Kurzarbeit

Kurzarbeit soll bei einem vorübergehenden Mangel an Arbeit – wie in der Corona-Krise – Arbeitsplätze erhalten und Kündigungen vermeiden. Aber können sich Arbeitnehmer in Kurzarbeit vor betriebsbedingten Kündigungen in Sicherheit wiegen? Was passiert, wenn ihr Arbeitgeber zu der Überzeugung gelangt, dass der Arbeitsausfall doch nicht nur vorübergehender Natur ist?

Zahlreiche Arbeitnehmer befinden sich seit Beginn der Corona-Krise in Deutschland in Kurzarbeit. Aufgrund des deutschlandweiten „Lockdowns“ und der damit einhergehenden Schließung vieler Betriebe haben Arbeitgeber in einigen Branchen derzeit zu wenig Arbeit, um ihre Arbeitnehmer zu beschäftigen. Grundsätzlich fällt dieses Risiko in die Sphäre des Arbeitgebers. Gibt es nicht genug Arbeit, muss er den Arbeitnehmern trotzdem den vollen Lohn zahlen.

Durch die Möglichkeit der Beantragung von Kurzarbeit bei der Agentur für Arbeit können Arbeitgeber jedoch Personalkosten einsparen. Dadurch sollen Arbeitsplätze erhalten und es soll betriebsbedingten Kündigungen vorgebeugt werden. Der Bezugszeitraum des Kurzarbeitergelds wurde zuletzt von 12 auf 21 Monate verlängert.

Allerdings stellt sich die Frage, ob sich Arbeitnehmer während der Gewährung von Kurzarbeit vor dem Ausspruch von betriebsbedingten Kündigungen in Sicherheit wiegen können oder ob eine solche Kündigung trotzdem möglich ist.

Voraussetzung für die Gewährung von Kurzarbeit ist zunächst ein vorübergehender Wegfall von Arbeit. Das bedeutet, dass Arbeitgeber bei der Antragstellung von Kurzarbeit davon ausgehen, dass künftig wieder mehr Arbeit anfällt. Arbeitgeber, bei denen sich diese Prognose bewahrheitet hat, konnten nach den (vorübergehenden) Lockerungen der Corona-Maßnahmen Mitte des Jahres ihren Arbeitnehmern ihre Arbeitsplätze wieder im regulären Umfang und ohne staatliche Unterstützung zur Verfügung stellen.

Die ursprüngliche Prognose kann sich jedoch auch als unzutreffend erweisen und der Arbeitgeber zwischenzeitlich zu der Überzeugung gelangt sein, dass Arbeitsplätze nicht nur vorübergehend, sondern dauerhaft wegfallen. Ein solcher prognostizierter dauerhafter Wegfall von Arbeit kann Anlass für den Ausspruch einer betriebsbedingten Kündigung sein. Als weitere Voraussetzungen einer solchen Kündigung muss jedoch eine Weiterbeschäftigung des Arbeitnehmers im Unternehmen unmöglich sein, zudem ist eine Sozialauswahl durchzuführen.

Bei der Begründung einer betriebsbedingten Kündigung wird zwischen außerbetrieblichen und innerbetrieblichen Anlässen differenziert. Hierbei geltend während der Kurzarbeit unterschiedliche Anforderungen an die Darlegungs- und Beweislast des Arbeitgebers.

Für den Ausspruch einer betriebsbedingten Kündigung aufgrund außerbetrieblicher Gründe, wie beispielsweise eines Auftragsrückgangs, muss der Arbeitgeber darlegen und beweisen, dass sich seine ursprüngliche Prognose eines nur vorübergehenden Ausfalls von Arbeit nicht bewahrheitet hat und dass der Arbeitsplatz doch dauerhaft weggefallen ist. Dieser Beweis kann sich für den Arbeitgeber als sehr schwierig erweisen, da die Anordnung von Kurzarbeit zunächst gegen einen dauerhaften Wegfall spricht.

Bei einer betriebsbedingten Kündigung aufgrund innerbetrieblicher Gründe, wie beispielsweise Rationalisierungs- oder Reorganisationsmaßnahmen, sieht es für den Arbeitgeber anders aus. Eine solche unternehmerische Entscheidung unterliegt nur einer gerichtlichen Willkürkontrolle und ist von der unternehmerischen Freiheit geschützt. Sie ist daher nicht schon aufgrund der vereinbarten Kurzarbeit angreifbar. Das Vorliegen der oben dargestellten Voraussetzungen einer betriebsbedingten Kündigung muss der Arbeitgeber aber dennoch darlegen und beweisen.

Ferner stellt sich neben einem prognostizierten dauerhaften Wegfall der Beschäftigung noch die Frage der Verhältnismäßigkeit einer betriebsbedingten Kündigung. Es darf kein milderes Mittel geben als den Ausspruch der Kündigung. Zur Frage, ob die Beantragung von Kurzarbeit ein solches milderes Mittel darstellt, hat sich die Rechtsprechung bislang jedoch nicht eindeutig positioniert. Dagegen spricht aber, dass eine Kündigung nur bei einem dauerhaften Wegfall von Arbeit in Betracht kommt. Bei Kurzarbeit ist allerdings gerade Voraussetzung, dass der Arbeitsentfall vorübergehender Natur ist. Da beide Instrumente unterschiedliche Ziele verfolgen, können sie nicht ohne Weiteres in ein Stufenverhältnis gestellt werden.

Eine betriebsbedingte Kündigung während der Kurzarbeit führt außerdem dazu, dass die Voraussetzungen für die Gewährung von Kurzarbeit gemäß § 98 Abs. 1 Nr. 2 SGB III ab dem Tag nach dem Ausspruch der Kündigung entfallen. Im gekündigten Arbeitsverhältnis besteht nach § 98 I Nr. 2 SGB III nämlich kein Anspruch mehr auf Kurzarbeitergeld. Der Arbeitgeber schuldet dem Arbeitnehmer somit während der Kündigungsfrist wieder den vollen vertraglich vereinbarten Lohn.

Zusammengefasst bedeutet dies, dass eine betriebsbedingte Kündigung zwar auch während der Kurzarbeit wirksam sein kann. Da der Arbeitgeber jedoch ursprünglich von einem nur vorübergehenden Arbeitsentfall ausging, gestaltet sich die Rechtfertigung der Kündigung für ihn häufig schwierig. Arbeitnehmer, die während der Kurzarbeit eine betriebsbedingte Kündigung erhalten, sollten deshalb in jedem Fall anwaltliche Beratung in Anspruch nehmen.
 
Stella Hessberger, Pflüger Rechtsanwälte GmbH

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