eNews 79 | Februar 2021
Was können Arbeitnehmer tun, wenn sie aufgrund ihres Geschlechts weniger verdienen?
Wenn vergleichbare Beschäftigte des anderen Geschlechts bei gleicher Leistung besser bezahlt werden, können Arbeitnehmer die Vergütungsdifferenz vor dem Arbeitsgericht einklagen.
Rechtsgrundlage dafür ist neben europarechtlichen Vorgaben das Entgelttransparenzgesetz (EntgTranspG). Danach darf für gleiche oder gleichwertige Arbeit nicht wegen des Geschlechts des Beschäftigten ein geringeres Entgelt vereinbart oder gezahlt werden als bei einem Beschäftigten des anderen Geschlechts. Verstößt der Arbeitgeber gegen diese Vorschrift, haben betroffene Arbeitnehmer einen Anspruch auf gleiche Entlohnung – grundsätzlich auch für bereits geleistete Arbeit.
Um Arbeitnehmern einen Ansatzpunkt für die Feststellung einer Ungleichbehandlung zu geben, sieht das EntgTranspG einen individuellen Auskunftsanspruch vor. Dieser ist darauf gerichtet, dass der Arbeitgeber das durchschnittliche monatliche Bruttoentgelt für eine von dem Beschäftigten zu benennende gleiche oder gleichwertige Tätigkeit mitteilen muss.
Das Bundesarbeitsgericht (BAG) hat in einer aktuellen Entscheidung die Bedeutung des vom Arbeitgeber mitgeteilten Vergleichsentgelts für die Darlegungs- und Beweislast der betroffenen Arbeitnehmer näher umrissen (Urteil vom 21.01.2021 – Az. 8 AZR 488/19, bislang nur als Pressemitteilung verfügbar).
Folgender Sachverhalt liegt der Entscheidung zugrunde: Die Klägerin ist bei der Beklagten, einem Versicherungsunternehmen, als Abteilungsleiterin beschäftigt. Nachdem die Klägerin ihren Auskunftsanspruch nach dem EntgTranspG geltend gemacht hatte, teilte die Beklagte im August 2018 mit, dass das Durchschnittsgehalt der vergleichbaren männlichen Abteilungsleiter im Durchschnitt (Median) um acht Prozent höher liegt als das der weiblichen Abteilungsleiter. Daraufhin erhob die Klägerin Klage auf Zahlung der Entgeltdifferenz für den Zeitraum von August 2018 bis Januar 2019.
Das Bundesarbeitsgericht gab der Klägerin dem Grunde nach recht und kam damit zu einem anderen Ergebnis als das vorinstanzliche Landesarbeitsgericht Niedersachsen. Zur Begründung stützte sich das BAG maßgeblich darauf, dass die Klägerin weniger verdiente als der Median der vergleichbaren männlichen Kollegen. Dieser Umstand begründet nach dem BAG die Vermutung einer unmittelbaren Benachteiligung im Sinne des EntgTranspG. Die Vermutung ist widerleglich. Der Arbeitgeber kann also vortragen, warum trotz des niedrigeren Entgelts im Einzelfall keine Benachteiligung wegen des Geschlechts vorliegt. Denkbare Beispiele sind etwa die Dauer der Betriebszugehörigkeit oder der Ausübung einer bestimmten Funktion (hier Abteilungsleiter).
Die Entscheidung des BAG gibt Arbeitnehmern eine Orientierung bei der Geltendmachung von geschlechtsspezifischer Benachteiligung beim Entgelt: Verdienen sie nach Auskunft des Arbeitgebers weniger als vergleichbare Beschäftigte des anderen Geschlechts, können sie ihren Vergütungsanspruch auf diese Tatsache stützen. Es liegt dann am Arbeitgeber, die Vermutung einer Diskriminierung im konkreten Fall auszuräumen. Damit erweist sich das EntgTranspG als hilfreiches Instrument zur Durchsetzung von Entgeltgerechtigkeit zwischen den Geschlechtern.
Andreas Lutz, Pflüger Rechtsanwälte GmbH
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