eNews 80 | Juli 2021
Betriebsrätemodernisierungsgesetz: Beschlussfassung durch Online-Abstimmungstools möglich?
Am 18. Juni 2021 ist das Betriebsrätemodernisierungsgesetz in Kraft getreten. Im Hinblick auf die Durchführung von digitalen Betriebsratssitzungen löst es die pandemiebedingte Übergangsregelung des § 129 Betriebsverfassungsgesetz (BetrVG) ab, die seit 01. Juli 2021 nicht mehr gilt. Das neue Gesetz soll unter anderem dazu dienen, die Möglichkeiten der Betriebsratsarbeit dauerhaft an die deutlich gestiegene Verbreitung von Telefon- und Videokonferenzen anzupassen. Dazu wurden unter strengen Voraussetzungen neben Präsenzsitzungen auch virtuelle Betriebsratssitzungen zugelassen. Das wirft die Frage auf, ob bei der Beschlussfassung in einer digitalen Sitzung künftig auch Online-Abstimmungstools genutzt werden dürfen.
Das BetrVG in seiner neuen Fassung macht zu den Anforderungen an Online-Sitzungen zumindest einige grundlegende Vorgaben. Es gibt aber wenige Orientierungspunkte vor, auf welche Weise bei diesen Sitzungen abgestimmt werden kann. Im neuen § 33 Abs. 1 Satz 2 BetrVG heißt es lediglich, dass Betriebsratsmitglieder, die mittels Video- und Telefonkonferenz an der Beschlussfassung teilnehmen, als anwesend gelten. Daraus lässt sich zunächst einmal nur ableiten, dass etwa bei einer Beschlussfassung per Handheben auch diejenigen Betriebsratsmitglieder durch Aufzeigen mit abstimmen können, die nicht persönlich bei der Sitzung anwesend, sondern über eine Video-Anwendung zugeschaltet sind.
Da die Regelung eng gefasst ist, liegt es nahe, dass keine generelle Zulassung digitaler Möglichkeiten zur Stimmabgabe beabsichtigt ist. Insbesondere die Nutzung von Online-Abstimmungstools wird durch die Neuregelung rechtlich nicht abgesichert. Von dem Gebrauch solcher Instrumente ist daher weiterhin abzuraten. Der gesamte Ansatz des Betriebsrätemodernisierungsgesetzes hinsichtlich virtueller Betriebsratssitzungen deutet darauf hin, dass die Möglichkeiten der Digitalisierung lediglich in einem engen Rahmen nutzbar gemacht werden sollen. Online-Abstimmungstools ähneln der Beschlussfassung im Umlaufverfahren (schriftlich oder per E-Mail), die die Rechtsprechung bereits nach der bisherigen Rechtslage als unzulässig eingestuft hat. Hieran hat sich durch die Gesetzesnovelle nichts geändert.
Empfehlenswert ist deshalb, wichtige Beschlüsse weiterhin ausschließlich in Präsenzsitzungen zu fassen. Unabhängig von der Art und Weise der Beschlussfassung ist derzeit vor allem noch offen, wie der nun in § 30 Abs. 2 Satz 1 Nr. 1 BetrVG geforderte „Vorrang der Präsenzsitzung“ genau sichergestellt werden soll. Deshalb ist jede Online-Sitzung mit dem Risiko behaftet, dass die in diesem Rahmen getroffenen Beschlüsse unwirksam sind.
Wir beraten Sie gerne zu den Gestaltungsmöglichkeiten hinsichtlich Online-Sitzungen in der Geschäftsordnung des Betriebsrats.
Dr. Andreas Lutz, Pflüger Rechtsanwälte GmbH
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