eNews 80 | Juli 2021

Homeoffice statt Versetzung?

Einen grundsätzlichen Anspruch auf Homeoffice gibt es in Deutsch­land bislang nicht. Solange der Gesetz­geber hieran nichts ändert, stellt sich aller­dings immer wieder die Frage, ob ein Arbeit­geber vorrangig Home­office anbieten muss, bevor er einen Arbeit­nehmer an einen anderen Standort versetzt. Das LAG Berlin-Brandenburg (Urteil vom 24.03.2021, Az. 4 Sa 1243/20) musste kürzlich über einen entsprechenden Sach­verhalt entscheiden.

Die klagende Arbeit­nehmerin war bei ihrer Arbeit­geberin seit 27 Jahren in der Berliner Nieder­lassung als Vertriebs­assistentin tätig. Im Rahmen einer Umstruk­turierung hatte die Arbeit­geberin entschieden, die Stelle der Arbeit­nehmerin nach Wuppertal zu verlegen, während die Außen­dienst­mitarbeiter der Nieder­lassung Berlin ihre Tätig­keiten zukünftig aus dem Homeoffice verrichten sollten. Die Arbeit­nehmerin erhielt daraufhin eine betriebs­bedingte Änderungs­kündigung mit dem Angebot, ihre Tätigkeit in Wuppertal fortzusetzen. Sie nahm das Angebot auch unter dem Vorbehalt der sozialen Recht­fertigung nicht an und klagte gegen die Kündigung. Dabei vertrat die Arbeit­nehmerin die Ansicht, dass ihre Anwesenheit im Betrieb nicht erforderlich sei und sie daher auch im Home­office tätig sein könne. Dies sei gegenüber einer Versetzung im Wege der Änderungs­kündigung das mildere Mittel.

Im Gegensatz zur ersten Instanz erachtete das LAG die Änderungs­kündigung für wirksam. Nach der Auffassung des Gerichts stehe fest, dass die Arbeit­geberin nachvoll­ziehbar die unter­nehmerische Entscheidung getroffen habe, bestimmte Aufgaben zentral am Haupt­sitz in Wuppertal zu bündeln. Das Konzept der Arbeit­geberin differenziere dabei eindeutig zwischen den Arbeit­nehmern im Außen­dienst, denen sie Homeoffice ermöglicht und der Vertriebs­assistenz, für die sie eine Tätig­keit im Betrieb vorsehe. Über eine solche konkrete unternehme­rische Entscheidung dürften sich die Arbeits­gerichte nicht hinweg­setzen. Das LAG ließ allerdings ausdrücklich offen, wie zu entscheiden wäre, wenn der Arbeit­geberin eine solche Darlegung nicht gelänge, z. B. wenn direkt vergleich­bare Kollegen bereits im Home­office tätig sind.

Der Entscheidung kommt aufgrund der Gegeben­heiten während der Corona­krise besondere Relevanz zu. Die meisten Arbeit­geber haben ihre Arbeit­nehmer zur Reduzierung von Ansteckungen unmittelbar ins Home­office geschickt. Nachdem sich viele Unter­nehmen vor der Pandemie gegen flexible Arbeits­ort­regelungen sträubten, haben sich diese in den vergangenen Monaten bewährt. Auch wenn es aktuell noch keinen individuellen Anspruch von Arbeit­nehmern auf Homeoffice gibt, wurden im Wege des Betriebs­räte­modernisierungs­gesetzes jedenfalls die Mitbestimmungs­rechte der Betriebsräte in Bezug auf das mobile Arbeiten und Homeoffice gestärkt. Diese haben zwar kein Initiativrecht zur Einführung von diesen, sie bestimmen aber umfangreich mit, sobald sich ein Unter­nehmen entscheidet, Homeoffice und/oder mobiles Arbeiten einzuführen (bzw. sie über die Pandemie hinaus beizu­behalten). Es ist daher nun an der Zeit, im Rahmen von Betriebs­vereinbarungen verbind­liche Regelungen für das mobile Arbeiten bzw. Home­office für die Zukunft zu treffen.
 
Saskia Steffen, Pflüger Rechtsanwälte GmbH

Auch in dieser Ausgabe:

Muss sich Pflegepersonal in Krankenhäusern und Altenpflegeheimen gegen Covid impfen lassen? Lesen
Betriebsrätemodernisierungsgesetz: Beschlussfassung durch Online-Abstimmungstools möglich? Lesen

Copyright: © Saskia Steffen, Pflüger Rechtsanwälte GmbH

Alle Rechte vorbehalten. Abdruck und / oder Vervielfältigung der Texte oder Auszüge aus ihnen nur nach Rücksprache und mit Genehmigung des Rechteinhabers.

All rights reserved. No part of the newsletter may be reproduced in any form without written permission from the author.