eNews 82 | Juni 2022
„Ehedauerklausel“ von fünf Jahren bei Betriebsrenten ist unwirksam
Eine in den Allgemeinen Geschäftsbedingungen (AGB) enthaltene Versorgungsregelung, wonach die Hinterbliebenenversorgung entfällt, wenn im Zeitpunkt des Todes oder der vorzeitigen Beendigung des Arbeitsverhältnisses des Versorgungsberechtigten die Ehe nicht mindestens fünf Jahre bestanden hat (sog. „Ehedauerklausel“ bei Betriebsrenten), benachteiligt den unmittelbar Versorgungsberechtigten unangemessen. Sie ist nach § 307 Abs. 1 Satz 1 BGB unwirksam.
So entschied jüngst das Arbeitsgericht Braunschweig (Az. 1 Ca 94/21 B) und senkt damit die Jahresdauer solcher Klauseln weiter ab (vgl. BAG v. 19.02.2019, Az. 3 AZR 150/18, das eine Unwirksamkeit einer Ehedauerklausel von zehn Jahren angenommen hat).
Die 1940 geborene Klägerin ist die Witwe eines ehemaligen Mitarbeiters der Beklagten. Die Ehe wurde vier Jahre vor dem vorzeitigen Ausscheiden des Mitarbeiters bei der Beklagten geschlossen. Zuvor befanden sich die Hinterbliebene und ihr Ehegatte in einer über Jahre dauernden Lebenspartnerschaft. Das Arbeitsverhältnis des Ehegatten war mit einer betrieblichen Altersversorgung unterlegt, die eine Witwenrente für den Fall vorsah, dass die Ehe mindestens fünf Jahre vor dem Eintritt des Versorgungsfalles bzw. vor dem vorzeitigen Ausscheiden geschlossen wurde und bis zum Zeitpunkt des Todes des Versorgungsberechtigten bestanden hat.
Nachdem der Ehemann der Klägerin im Jahr 2020 verstarb, verlangte sie von der Beklagten die Zahlung einer Witwenrente aus der Ruhegeldordnung. Sie vertrat die Auffassung, dass die Ehedauerklausel von fünf Jahren unwirksam sei. Die Beklagte verweigerte die Zahlung, weil die Ehe im Zeitpunkt des Ausscheidens des Ehegatten bei der Beklagten noch keine fünf Jahre bestanden hatte.
Der auf Zahlung einer monatlichen Witwenrente gerichteten Klage wurde von dem Arbeitsgericht Braunschweig stattgegeben. Die in den AGB der Ruhegeldverordnung enthaltene Regelung, wonach der Anspruch auf Witwenrente voraussetze, dass die Ehe bei Ausscheiden des Versorgungsberechtigten fünf Jahre bestanden haben muss, ist nach § 307 Abs. 1 Satz 1, Abs. 2 Nr. 2 BGB unwirksam. Sie benachteiligt den verstorbenen Ehe mann der Klägerin entgegen den Geboten von Treu und Glauben unangemessen. Die vorgenommene Einschränkung ist nicht angemessen im Sinne von § 307 Abs. 1 Satz 1 BGB.
Kennzeichnend für eine Hinterbliebenenversorgung i. S. d. § 1 Abs. 1 Satz 1 BetrAVG ist die Absicherung eines für den Todesfall bestehenden typisierten Versorgungsinteresses des Arbeitnehmers. Maßgebend für dieses Versorgungsinteresse ist, in welchem Näheverhältnis der Arbeitnehmer zu der abzusichernden Person steht. In den Fällen, in denen die Zusage auf Ehepartner beschränkt wird, mit denen der Arbeitnehmer im Zeitpunkt des Ausscheidens bei dem Arbeitgeber mindestens fünf Jahre verheiratet war, wird von der die Hinterbliebenenversorgung kennzeichnenden Vertragstypik abgewichen. Die Einschränkung der Hinterbliebenenversorgung ist auch nicht durch begründete und billigenswerte Interessen des Arbeitgebers gerechtfertigt, weil sich die Ausschlussklausel an einer willkürlich gegriffenen Zeitspanne ohne inneren Zusammenhang zum Arbeitsverhältnis und zum verfolgten Zweck orientiert. Denn die geforderte Mindestdauer von fünf Jahren ist bei weitem nicht erforderlich, um kurzzeitige Versorgungsehen auszuschließen. Dies verdeutlicht nach Ansicht des Arbeitsgerichts Braunschweig der vorliegende Sachverhalt umso mehr, da der Ausschlusstatbestand selbst solche Fälle wie den vorliegenden, in denen eine feste Lebenspartnerschaft über 25 Jahre bestanden hat, nicht angemessen berücksichtigt. Die Klausel schießt damit deutlich über das Ziel hinaus.
Die Entscheidung ist rechtskräftig.
Fazit: Ein Blick in die Versorgungsordnung lohnt sich! Hinterbliebene, denen ein Anspruch auf Witwenrente durch den Arbeitgeber aufgrund von Ehedauerklauseln versagt wird, sollten sich Rat holen und die Wirksamkeit einer solchen Klausel überprüfen lassen.
Barbara Förster, Pflüger Rechtsanwälte GmbH
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