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eNews 82 | Juni 2022

Rückholung aus dem Homeoffice ins Büro ist eine Versetzung gemäß § 99 Abs. 1 BetrVG

Nach dem Wegfall der „Homeoffice-Pflicht“ ab dem 20.03.2022 haben viele Arbeit­geber damit begonnen, ihre Mitarbeiter vom mobilen Arbeiten bzw. Home­office ganz oder teilweise zurück in die Betriebe zu holen. In einem jüngst veröffent­lichten Beschluss hat das Bundes­arbeits­gericht (BAG v. 20.10.2021, Az. 7 ABR 34/20) entschieden, dass eine einseitige Beendigung der mobilen Arbeit durch den Arbeit­geber eine Versetzung im Sinne des § 99 Abs. 1 BetrVG darstellt. Die Rück­holung ist daher nur wirksam, wenn der Arbeit­geber zuvor die Zustimmung des Betriebs­rats eingeholt hat.

Im vom BAG entschiedenen Fall hatte der Arbeit­geber mit der betroffenen Arbeit­nehmerin eine Verein­barung über eine Beschäf­tigung in alter­nierender Tele­arbeit geschlossen, die von beiden Seiten mit einer Frist von drei Monaten gekündigt werden konnte. Im Zuge der Ein­führung eines soge­nannten Desk-Sharing-Modells kündigte der Arbeitgeber die Vereinbarung.

Das Vorliegen einer Versetzung begründete das BAG damit, dass sich das Tätig­keits­bild der Arbeit­nehmerin durch die Rück­holung in den Betrieb maß­geb­lich änderte. Die Mitarbeiterin hatte ihre Arbeits­leistung zuvor ganz über­wiegend von zu Hause aus erbracht. Allein die örtliche Verände­rung des Arbeits­orts – von zu Hause ins Büro – ohne Zuweisung einer anderen Arbeits­aufgabe oder Ein­gliederung in eine neue organi­sato­rische Einheit stellt bereits eine Versetzung dar. Darüber hinaus lag hier die Zuweisung eines anderen Arbeits­bereichs vor, denn die Einordnung der Mitarbeiterin in den Arbeits­ablauf des Arbeit­gebers bei einer Tätigkeit im Home­office gestaltete sich grund­legend anders als im Büro. Da die Verein­barung zur Tele­arbeit im entschie­denen Fall auf eine tarif­liche Rege­lung zurückging, stellte das BAG klar, dass eine solche Bestimmung im Tarif­vertrag das Mitbestimmungs­recht des Betriebs­rats nicht aus­schließt. Die Beteiligung des Betriebs­rats gemäß § 99 BetrVG kann nicht durch Tarif­vertrag beschränkt werden.

Allerdings macht das BAG strenge Vorgaben für das Vorliegen eines Grundes gemäß § 99 Abs. 2 BetrVG, der den Betriebs­rat dazu berechtigt, die Zustimmung zur Versetzung zu verweigern. Der Betriebs­rat kann nicht eine umfassende Rechts­kontrolle der Versetzung im Hinblick auf ihre Vereinbar­keit etwa mit dem Arbeits­vertrag durch­führen. Auch den Zustimmungs­verweige­rungs­grund des § 99 Abs. 2 Nr. 4 BetrVG, eine Benach­teili­gung des betroffenen Arbeitn­ehmers zu verhindern, legte das BAG eng aus. Nach­teile wie ein längerer Arbeits­weg und Fahrt­kosten seien vom Arbeit­nehmer hinzunehmen, wenn dem eine sachlich nach­voll­zieh­bare und plausible unter­nehme­rische Entschei­dung des Arbeit­gebers zugrunde liegt. Dem Betriebsrat stehe nicht zu, die Zweck­mäßig­keit dieser Entschei­dung zu überprüfen.

Das Zustimmungsverweigerungs­recht nach § 99 BetrVG wird von dem neuen § 87 Abs. 1 Nr. 14 BetrVG flankiert, der dem Betriebs­rat ein zwingendes Mitbestimmungs­recht über die Aus­gestal­tung von mobiler Arbeit gibt. Das bezieht sich jedoch nicht auf die Frage, ob überhaupt mobile Arbeit angeboten wird. Insoweit kann der Arbeit­geber alleine entscheiden. Er muss im Rahmen der Rück­holung den Betriebs­rat aber bei den damit verbundenen Versetzungen nach § 99 BetrVG beteiligen. Bietet der Arbeit­geber jedoch überhaupt die Möglich­keit zu mobilem Arbeiten an, sollte der Betriebsrat unbedingt sein Initiativ­recht zum Abschluss einer Betriebs­vereinba­rung über die konkrete Aus­gestaltung wahrnehmen. Hierzu beraten wir Sie gerne.
 
Dr. Andreas Lutz, Pflüger Rechtsanwälte GmbH

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