eNews 83 | Oktober 2022
EuGH: Keine automatische Verjährung von Urlaubsansprüchen
Ansprüche auf Urlaubsabgeltung unterliegen nur dann der dreijährigen Verjährungsfrist, wenn der Arbeitgeber den Arbeitnehmer ausdrücklich auf den möglichen Verfall des Urlaubsanspruchs hingewiesen hat. Das hat der Europäische Gerichtshof (EuGH) in einem aktuellen Urteil entschieden (EuGH v. 22.09.2022 – Az. C-120/21).
Hintergrund des Urteils ist ein Vorabentscheidungsverfahren, in dessen Rahmen das Bundesarbeitsgericht (BAG) dem EuGH eine Auslegungsfrage zum EU-Recht vorlegte. In dem zugrundeliegenden Fall hatte eine Steuerfachangestellte nach dem Ausscheiden aus dem Arbeitsverhältnis die Auszahlung ihres Resturlaubs aus den Jahren 2013 bis 2017 verlangt. Der Arbeitgeber berief sich auf die Verjährung des Urlaubsanspruchs, die gemäß § 195 BGB grundsätzlich nach drei Jahren eintritt.
Der EuGH hat den Einwand des Arbeitgebers nicht durchgreifen lassen. Arbeitgeber müssen nach Unionsrecht gewährleisten, dass Beschäftigte ihren Urlaub tatsächlich nehmen können. Das setzt voraus, dass der Arbeitgeber auf das Erlöschen der Urlaubstage hinweist und dazu auffordert, den Urlaub abzubauen.
Die Umsetzung der Entscheidung des EuGH im deutschen Recht steht noch aus. Das Urteil des BAG zu dem dargestellten Sachverhalt wird im Dezember diesen Jahres erwartet.
Die neue Rechtsprechung des EuGH führt zu einer weiteren Stärkung der Arbeitnehmerrechte im Zusammenhang mit Urlaubsansprüchen. Bereits zuvor hatte das Luxemburger Gericht entschieden, dass Urlaubsansprüche entgegen der ausdrücklichen Regelung in § 7 Abs. 3 BUrlG nicht automatisch zum Jahreswechsel bzw. zum 31. März des Folgejahres verfallen. Vielmehr greifen auch hier Hinweis- und Aufforderungsobliegenheiten des Arbeitgebers. Nur wenn sie beachtet werden, verfällt der Urlaub zu den angegebenen Stichtagen (EuGH v. 06.11.2018, Az. C‑619/16, zustimmend BAG v. 19.02.2019, Az. 9 AZR 541/15).
Wirkt der Arbeitgeber nicht auf einen Urlaubsabbau hin, können Arbeitnehmer sogar mehr als drei Jahre zurückliegende Urlaubstage geltend machen. Bei der Abgeltung des Resturlaubs nach Beendigung des Arbeitsverhältnisses sind jedoch ggf. Ausschlussfristen zu beachten. Gelten wirksame Ausschlussfristen, die häufig drei Monate betragen, müssen Arbeitnehmer nach wie vor innerhalb der Frist die Auszahlung des Resturlaubs verlangen.
Dr. Andreas Lutz, Pflüger Rechtsanwälte GmbH
Auch in dieser Ausgabe:
BAG sieht Pflicht zur Arbeitszeiterfassung: Ein Paukenschlag oder nicht? Lesen
Wahl der Schwerbehindertenvertretung – darauf müssen Sie achten! Lesen
Copyright: © Saskia Steffen, Pflüger Rechtsanwälte GmbH
Alle Rechte vorbehalten. Abdruck und / oder Vervielfältigung der Texte oder Auszüge aus ihnen nur nach Rücksprache und mit Genehmigung des Rechteinhabers.
All rights reserved. No part of the newsletter may be reproduced in any form without written permission from the author.