eNews 84 | Dezember 2022

Urlaubsanspruch während der Elternzeit und die Wirksamkeit von Ausschlussfristen

In seiner Entscheidung vom 05.07.2022 (Az. 9 AZR 341/21) befasste sich das Bundes­arbeitsgericht (BAG) erneut mit der Wirksamkeit von Ausschlussfristen und dem Urlaubsanspruch während der Elternzeit.

Die Klägerin war bei der Beklagten von 2012 bis 2017 als Bürokauffrau beschäftigt. Der Arbeitsvertrag der Parteien enthielt unter der Überschrift „§ 10 Ausschlussfrist“ die folgende Regelung:

  1. Alle beiderseitigen Ansprüche aus dem Arbeitsverhältnis und solche, die mit dem Arbeitsverhältnis in Verbindung stehen, verfallen, wenn sie nicht innerhalb von 3 Monaten nach der Fälligkeit gegenüber der anderen Vertragspartei schriftlich erhoben werden.
  2. Lehnt die Gegenpartei den Anspruch ab oder sie erklärt sich nicht innerhalb von 2 Wochen nach der Geltendmachung des Anspruchs, so verfällt dieser, wenn er nicht innerhalb von 3 Monaten nach der Ablehnung oder dem Fristablauf gerichtlich geltend gemacht wird.

Nach Beendigung ihrer Tätigkeit nahm die Klägerin die Beklagte vor dem Arbeitsgericht auf Urlaubsabgeltung für die Jahre 2013 bis 2017 in Anspruch. Nachdem die Klage von den Vorinstanzen abgewiesen wurde, hatte die Klägerin mit ihrer Revision vor dem BAG Erfolg.

In seinem Urteil befasst sich das BAG im Wesentlichen mit zwei Aspekten: Zum einen wird durch die Rechtsprechung des BAG klargestellt, dass unionskonform die Sonderregelungen des Bundeselterngeld- und Elternzeitgesetzes (BEEG) denen des Bundesurlaubsgesetzes (BUrlG) vorgehen. Zum anderen befasst sich das Urteil mit der Wirksamkeit von Ausschlussfristen.

Nach § 7 Abs. 3 BUrlG haben Arbeitnehmer einen gesetzlichen Mindesturlaubsanspruch pro Kalenderjahr, der regelmäßig am Ende des Kalenderjahres, mindestens aber nach Übertragung zum 31. März des Folgejahres, verfällt.

Diese in § 7 Abs. 3 BUrlG geregelten Fristen für die Inanspruchnahme von Urlaub und die Übertragung des Resturlaubs aus dem Vorjahr gelten allerdings nicht während der Elternzeit.  Hier greifen stattdessen – mit dem Unionsrecht konform – die Sonderregelungen des BEEG.

Danach kann der Arbeitgeber für jeden vollen Kalendermonat der Elternzeit den Urlaubsanspruch nach § 17 Abs. 1 Satz 1 BEEG um ein Zwölftel schriftlich kürzen. Erfolgt die Kürzungserklärung nicht während des bestehenden Arbeitsverhältnisses, kann der Arbeitgeber den Urlaub auch nicht wirksam für diesen Zeitraum kürzen.

Wie verhält es sich aber mit dem Urlaub, der zu Beginn der Elternzeit nicht oder nicht vollständig genommen wurde? Dieser Urlaub muss nach § 17 Abs. 2 BEEG nach der Elternzeit im laufenden oder nächsten Urlaubsjahr gewährt werden.

Im konkreten Fall hat das BAG weiter entschieden, dass die Ansprüche auf Urlaubsabgeltung (aufgrund des beendeten Arbeitsverhältnisses) im Gegensatz zu der Annahme der Vorinstanzen, nicht verfallen sind. Die Ausschlussfrist in § 10 des Arbeitsvertrags hält einer Überprüfung nicht stand.

Nach Begründung des BAG sind Ausschlussfristen, die gegen das gesetzliche Verbot, die Haftung wegen Vorsatzes im Voraus durch Rechtsgeschäft zu erleichtern (§ 202 Abs. 1 BGB) verstoßen, gemäß § 134 BGB nichtig. Die Klausel erfasst wegen ihrer weiten Formulierung aber auch Ansprüche wegen vorsätzlicher Vertragsverletzung und vorsätzlicher unerlaubter Handlung und hat damit die Gesamtunwirksamkeit der Klausel zur Folge.

Verwehrt der Arbeitgeber Ansprüche aus oder in Verbindung mit dem Arbeitsverhältnis unter Verweis auf eine Ausschlussklausel im Arbeitsvertrag, lohnt sich immer ein genauer Blick in die Formulierung. Denn ist die Klausel unwirksam gefasst, können Sie regelmäßig auch nach Ablauf der Ausschlussfrist Ihre Ansprüche verfolgen.
 
Barbara Förster, Pflüger Rechtsanwälte GmbH

Auch in dieser Ausgabe:

Das BAG und die Arbeitszeiterfassung Lesen
Versetzung ins Ausland Lesen

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