eNews 85 | Februar 2023

(K)eine Frage der Verfügbarkeit? – Abgrenzung von Freizeit und Arbeit

Schon länger stellen Beschäftigte fest, dass die Grenzen zwischen Arbeit und Freizeit nicht mehr trennscharf sind. Gerade mobile Geräte (privat oder dienstlich) führen zu einer ständigen Verfügbarkeit und einer damit verbundenen Erwartungshaltung. Das Direktionsrecht des Arbeitgebers wird auf verschiedene Art umgesetzt. Neben der persönlichen Ansprache kann dies per Mail, SMS oder telefonischer Mitteilung erfolgen. Damit hatte sich unlängst auch das LAG Schleswig-Holstein zu beschäftigen.

Wesentlicher Hintergrund war, dass der Arbeitgeber den Kläger kurzfristig zum Dienst nach einem Schichtplan einteilte, in dem er zunächst nur als Springer vermerkt gewesen ist. Die Einteilungsentscheidung erfolgte an einem Tag, an dem der Kläger frei hatte. Der Arbeitgeber hatte versucht, die Diensteinteilung vergeblich per Telefon mitzuteilen. Ob der Kläger eine entsprechende SMS gelesen hatte, konnte nicht aufgeklärt werden, das Gericht ging aber davon aus, dass er die SMS erhalten hat.

Während das Arbeitsgericht die Klage noch abgewiesen und auf vertragliche Nebenpflichten hingewiesen hat, gab das LAG Schleswig-Holstein dem Kläger recht. Es führte dazu aus, dass eine Weisung des Arbeitgebers als Willenserklärung dem Kläger zugehen muss. Da er telefonisch nicht erreicht werden konnte, war rechtlich maßgeblich, ob der Kläger so zu behandeln war, als ob er sie gelesen hätte.

Nach Auffassungs des LAG war allerdings der Kläger schon dem Grunde nach nicht verpflichtet, während seiner Freizeit dienstliche Weisungen des Arbeitgebers per SMS zu lesen. Begründet hat dies das LAG damit, dass es sich dabei um eine Arbeitsleistung handeln würde, zu der während der Freizeit keine Verpflichtung bestehe. Zudem habe der Arbeitnehmer ein Recht darauf unerreichbar zu sein.

Gegen die Entscheidung des LAG ist Revision zum BAG eingelegt worden, sodass darauf zu warten ist, ob dieses die Entscheidung bestätigt.

Offengelassen hat das LAG die Frage, was gilt, wenn der Arbeitnehmer einen Anruf des Arbeitgebers entgegennimmt, er eine entsprechende SMS liest oder er von einer Änderung des Dienstplanes auf andere Weise Kenntnis nimmt. Es wird davon auszugehen sein, dass in diesen Fällen dem Arbeitnehmer die Weisung des Arbeitgebers zugeht und er entsprechend handeln muss.
 
Dr. René von Wickede, Pflüger Rechtsanwälte GmbH

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