eNews 86 | April 2023

Equal-Pay ist keine Frage des Verhandlungsgeschicks

Entgeltgleichheit zwischen den Geschlechtern ist keine Verhandlungs­sache zwischen Beschäftigten und dem Arbeit­geber, sondern eine Rechts­frage nach dem Entgelt­transparenz­gesetz (EntgTranspG). Das hat das Bundes­arbeits­gericht (BAG) in seinem Urteil vom 16.02.2023 (Az. 8 AZR 450/21) entschieden.

Im verhandelten Fall ist die Klägerin seit März 2017 bei der Beklagten als Außen­dienst­mitarbeiterin im Vertrieb beschäftigt. Ihr vertraglich vereinbartes Grund­gehalt betrug anfangs 3.500 Euro brutto. Ihr Gehalt wurde in der Folge auf 3.620 Euro brutto angehoben. Daneben beschäftigte die Beklagte seit Januar 2017 einen weiteren Außen­dienst­mitarbeiter. Auch ihm wurde zunächst ein Grundg­ehalt von 3.500 Euro brutto angeboten, man einigte sich aber schließlich auf ein Gehalt von 4.500 Euro brutto.

Zur Begründung berief sich die Beklagte darauf, dass der männliche Arbeit­nehmer die Position einer ausgeschie­denen Arbeit­nehmerin über­nommen habe, die besser vergütet worden sei und deren Stelle schnell habe besetzt werden müssen. Außerdem habe der männliche Kollege sein Gehalt besser verhandelt.

Die Klägerin klagte auf Zahlung rück­ständiger Vergü­tung, da sie die gleiche Arbeit wie ihr männ­licher Kollege verrichtet habe sowie auf Zahlung einer angemessenen Entschädigung aufgrund einer Geschlechter­diskriminierung.

Das BAG hat nun, anders als die Vorinstanzen, entschieden: besseres Verhandlungs­geschick ist keine Recht­fertigung für Verdienst­unterschiede.

Das BAG stellte demnach fest, dass die Beklagte die Klägerin aufgrund ihres Geschlechts benachteiligt habe. Denn sie habe der Klägerin, obwohl diese und der männliche Kollege gleiche Arbeit verrichteten, ein niedrigeres Grund­gehalt gezahlt als dem männ­lichen Kollegen. Dieser Umstand begründe die Vermutung nach § 22 AGG, dass die Benach­teiligung aufgrund des Geschlechts erfolgt sei. Die Beklagte konnte diese Vermutung nicht widerlegen. Insbesondere konnte sich nach Ansicht des BAG die Beklagte nicht mit Erfolg darauf berufen, das höhere Grund­gehalt des männ­lichen Kollegen beruhe auf dem Umstand, dass dieser ein höheres Entgelt ausge­handelt habe und einer besser vergüteten ausge­schiedenen Arbeitnehmerin nachgefolgt sei.

Daraus folgt im Ergebnis ein Anspruch auf das gleiche Grundgehalt nach Art. 157 AEUV, § 3 Abs. 1 EntgTranspG und § 7 EntgTranspG, sowie ein Anspruch auf Zahlung einer Entschädigung nach § 15 Abs. 2 AGG.

Mit seinem Urteil hat das BAG nun klargestellt, dass gleiche Bezahlung für gleiche Arbeit nicht weg­ver­handelt werden kann. Der Arbeit­geber kann also zwar auf Lohn­forderungen eines Arbeit­nehmers oder Bewerbers eingehen, einer gleichermaßen qualifizierten und erfahrenen Mitarbeiterin muss er dann aber auch den Lohn erhöhen. Denn nur objektive, geschlechts­neutrale Gründe wie Qualifikation oder Berufs­erfahrung können bei gleicher Tätigkeit eine unter­schiedliche Bezahlung recht­fertigen.
 
Barbara Förster, Pflüger Rechtsanwälte GmbH

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