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eNews 86 | April 2023

Neues zur Arbeitszeiterfassung: Der Referentenentwurf zur Änderung des Arbeitszeitgesetzes liegt endlich vor

Nachdem sowohl der EuGH (EuGH, Urteil vom 14.05.2019, Az. C-55/18) als auch das Bundes­arbeits­gericht (BAG, Beschluss vom 13.09.2022, Az. 1 ABR 22/21) in viel diskutierten Entscheidungen bereits festgestellt hatten, dass Unter­nehmen die Arbeitszeit ihrer Arbeit­nehmer voll­umfänglich zu erfassen haben, hat nun auch endlich der deutsche Gesetz­geber seinen Handlungs­auftrag erfüllt.

Das Bundesministerium für Arbeit und Soziales (BMAS) hat am 18.04.2023 den ersten Entwurf eines Gesetzes zur Änderung des Arbeits­zeit­gesetzes vorgelegt. Der Referenten­entwurf sieht im Wesent­lichen vor, § 16 des Arbeits­zeit­gesetzes um mehrere Absätze zu ergänzen. Zukünftig soll bezüglich der Arbeits­zeit­erfassung folgendes gelten:

  • Arbeitgeber sind verpflichtet, Beginn, Ende und Dauer der täglichen Arbeits­zeit der Arbei­tnehmer jeweils am Tag der Arbeits­leistung elektronisch aufzu­zeichnen.
  • Ausweislich der Gesetzes­begründung gelten als „elektronisch“ nicht nur gängige Zeit­erfassungs­tools und -apps, sondern auch Tabellen­kalkulations­programme.
  • Die Aufzeichnung kann durch Arbeit­nehmer oder Dritte erfolgen; die Arbeit­geber bleiben jedoch für die ordnungs­gemäße Aufzeichnung verant­wortlich.
  • Sofern die Aufzeichnung der Arbeits­zeiten delegiert wird oder Vertrauens­arbeits­zeit vereinbart ist, die weiterhin möglich sein soll, haben Arbeit­geber durch geeignete Maßnahmen sicherz­ustellen, dass ihnen Verstöße gegen die gesetz­lichen Bestimmungen zu Dauer und Lage der Arbeits- und Ruhe­zeiten bekannt werden.
  • Aufzeichnungen sind für die Dauer des Arbeits­verhält­nisses, längstens jedoch für zwei Jahre aufzu­bewahren.

Ausnahmen sind wie folgt vorgesehen:

  • In einem Tarifvertrag oder aufgrund eines Tarifvertrags in einer Betriebs- oder Dienst­vereinbarung können Abweichungen (a) von der elektronischen Form, (b) von dem Zeitpunkt der Aufzeichnung, sofern diese bis zu sieben Tage nach der Arbeits­leistung erfolgt und (c) für Arbeitnehmer, bei denen die gesamte Arbeitszeit wegen der besonderen Merkmale der ausgeübten Tätig­keit nicht gemessen oder nicht im Voraus festgelegt wird oder von ihnen selbst festgelegt werden kann, vereinbart werden.
  • Unternehmen mit bis zu zehn Arbeitnehmern sind von der Pflicht der elektro­nischen Arbeits­zeit­erfassung ausgenommen.

Für die Umsetzung der neuen Vorgaben der Arbeits­zeit­erfassung sieht der Referenten­entwurf eine nach Unternehmens­größe gestaffelte Über­gangs­zeit zwischen einem und fünf Jahren vor. Verstöße gegen die Pflicht zur Arbeits­zeit­erfassung sollen mit einer Geldbuße bis zu EUR 30.000,– geahndet werden können.

Nach wie vor nicht eindeutig geklärt ist die Frage, ob die Pflicht zur Arbeits­zeit­erfassung auch leitende Angestellte gemäß § 5 Abs. 3 BetrVG erfasst. Gemäß dem Referentenentwurf soll § 18 Abs. 1 Nr. 1 ArbZG nicht geändert werden, so dass leitende Angestellte auch weiterhin nicht unter das Arbeitszeitgesetz fallen. Das BAG stützte seine Entscheidung zur Pflicht der Arbeitszeiterfassung im vergangenen Jahr aber auf das Arbeitsschutzgesetz, das leitende Angestellte gerade nicht ausschließt.

Der Gesetzgeber hat diesbezüglich im Rahmen des veröffent­lichten ersten Referenten­entwurfs vom 18.04.2023 seinen Handlungs­spiel­raum nicht genutzt. Die dargestellten streitigen Fragen bleiben daher weiter offen.

Ebenso bedauer­lich ist, dass Abweichungen nur innerhalb oder aufgrund eines Tarif­vertrages vereinbart werden können. Hier wäre es wünschens­wert gewesen, auch Betriebs­parteien ohne Tarif­bindung die Möglich­keit zu geben, betrieb­liche Gegeben­heiten in einer Betriebs­vereinbarung adäquat zu regeln.

Es bleibt abzuwarten, ob und inwiefern Unklar­heiten im aktuellen Referenten­entwurf im Rahmen des Gesetz­gebungs­verfahrens noch beseitigt werden. Ein großer Wurf ist dem Bundes­arbeits­minister jedenfalls nicht gelungen. Es kann damit gerechnet werden, dass die Ände­rungen des Arbeits­zeit­gesetzes bereits im dritten Quartal 2023 in Kraft treten werden.
 
Saskia Steffen, Pflüger Rechtsanwälte GmbH

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