eNews 94 | Juli 2024

Auskunftsanspruch eines freigestellten Betriebsratsmitglieds – Vorlage von Lohnabrechnungen?

Das freigestellte Betriebsratsmitglied hat keinen Anspruch auf Vorlage der Lohn­abrechnungen seiner Kollegen zur Vorbereitung eines Anspruchs nach § 37 Abs. 2 BetrVG. Dies hat das Landes­arbeits­gericht (LAG) Niedersachsen entschieden (Urteil vom 26.04.2024, Az. 14 Sa 736/23).

Die Parteien stritten über einen Auskunfts­anspruch im Rahmen der Ermittlung der gesetzes­konformen Vergütung eines langjährig freigestellten Betriebs­rats­mitglieds. Die Arbeit­geberin hatte die zu zahlende fiktive Mehr­arbeits­vergütung, die Schicht­zulagen etc. pauschaliert berechnet und an das Betriebs­rats­mitglied gezahlt. Im Berufungs­verfahren begehrte das Betriebs­rats­mitglied die Vorlage der Lohn­abrechnungen der vergleich­baren Kollegen, um zu ermitteln, welche Schicht­vergütung und Mehr­arbeits­vergütung tatsächlich an seine Vergleichs­personen gezahlt werde.

Das LAG lehnte einen solchen Anspruch ab. Für die Vorlage der Lohn­abrechnungen – zumal gegen den Willen der Kollegen – sei keine Anspruchs­grundlage ersichtlich. Vielmehr wäre die Herausgabe der Abrechnungen nicht rechtmäßig und kann somit von der Arbeit­geberin nicht verlangt werden. Gemäß Art. 6 Abs. 1 S. 1 f) DSGVO ist die Verarbeitung von Daten nur recht­mäßig, wenn sie zur Wahrung der berechtigten Interessen des Verant­wort­lichen oder eines Dritten erforderlich ist, sofern nicht die Interessen oder Grund­rechte oder Grund­freiheiten der betroffenen Person, die den Schutz personen­bezogener Daten erfordern, überwiegen. Die Weitergabe der Lohn­abrechnungen wäre als Offen­legung durch Über­mittlung von auf eine natürliche Person bezogenen Informationen gemäß Art. 4 Nr. 1. und 2. DSGVO eine Verarbeitung personen­bezogener Daten. Betroffen wäre hier das Grund­recht auf informationelle Selbst­bestimmung der genannten Kollegen. Die Lohn­abrechnungen enthalten zahl­reiche sehr persön­liche und höchst geheim­haltungs­bedürftige Daten. Genannt werden etwa neben dem Ein­kommen die private Wohn­anschrift, die Personal­nummer, das Geburts­datum, das Eintritts­datum, die Steuer­identi­fikations­nummer, die Sozial­versicherungs­nummer, die gewählte Kranken­kasse, die Religions­zugehörigkeit, die Kinder­frei­beträge, die Steuer­klasse und Gewerk­schafts­beiträge. Berechtigte Interessen des Betriebs­rats­mitglieds, diese sensiblen Daten in Erfahrung zu bringen, seien nicht erkennbar.

Da die dem Betriebsratsmitglied nach dem Lohn­ausfall­prinzip zu zahlenden Vergütungs­bestand­teile auch aus mitbestimmten Informations­quellen ermittel­bar sein dürften, ist die Entscheidung des LAG nicht zu beanstanden. Einer Vorlage der Abrechnungen bedarf es daher nicht.
 
Hakima Taous, Pflüger Rechtanwälte GmbH

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