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eNews 97 | März 2025

Diskriminierung von Teilzeitbeschäftigten bei Überstundenzuschlägen

Das Bundesarbeitsgericht (BAG) hat in seinen richtungsweisenden Entscheidungen (BAG Urteil vom 04. Dezember 2024, Az. 10 AZR 185/20 und BAG Urteil vom 05. Dezember 2024, Az. 8 AZR 370/20) klargestellt, das Teilzeitbeschäftigten Zuschläge für Mehrarbeit bereits beim Überschreiten ihrer regelmäßigen Arbeitszeit zustehen und nicht erst dann, wenn sie über die Arbeitszeit von Vollzeitbeschäftigten hinaus arbeiten.

Das Urteil des BAG hat eine große Relevanz, da eine Vielzahl von Tarifverträgen Regelungen enthalten, wonach Überstundenzuschläge bei Teilzeitbeschäftigten bis zum Erreichen der Arbeitszeit von Vollzeitbeschäftigten ausgenommen sind.

Das BAG hatte in zwei Verfahren zu entscheiden. Kläger waren ein teilzeitbeschäftigter Flugzeugführer und eine teilzeitbeschäftigte Pflegekraft in einer Dialysestation. Vor der Entscheidung hatte das BAG die beiden Fälle dem Europäischen Gerichtshof (EuGH) vorgelegt. Der EuGH war in der Lufthansa CityLine-Entscheidung (C-660/20) zu der Feststellung gekommen, dass eine tarifvertragliche Regelung, die die Gewährung von Mehrarbeitszuschlägen bei Teilzeitbeschäftigten erst ab dem Erreichen der Arbeitszeit von Vollzeitbeschäftigten vorsieht, Teilzeitbeschäftigte gegenüber Vollzeitbeschäftigten benachteiligt. In dem Verfahren der Mitarbeiterin in einer Dialysestation war der EuGH zu der Feststellung gekommen, dass Teilzeitbeschäftigte in der betreffenden Station aufgrund ihres Geschlechts durch die dortige tarifvertragliche Regelung mittelbar diskriminiert werden, da die vom Tarifvertrag betroffenen Teilzeitbeschäftigten überwiegend Frauen sind. Hier schloss sich das BAG in seiner Entscheidung am 05. Dezember 2024 an.

Das BAG führt dazu aus, dass eine tarifvertragliche Regelung, die unabhängig von der individuellen Arbeitszeit für Überstundenzuschläge das Überschreiten der regelmäßigen Arbeitszeit eines Vollzeitbeschäftigten voraussetzt, teilzeitbeschäftigte Arbeitnehmer wegen der Teilzeit schlechter als vergleichbare Vollzeitbeschäftigte behandelt. Sie verstößt gegen das Verbot der Diskriminierung teilzeitbeschäftigter aus § 4 Abs. 1 TzBfG, wenn die in ihr liegende Ungleichbehandlung nicht durch sachliche Gründe gerechtfertigt ist. Fehlen solche sachlichen Gründe, liegt regelmäßig zugleich eine gegen die Vorschriften des Allgemeinen Gleichbehandlungsgesetzes (§ 7 Abs. 1 AGG) verstoßende mittelbare Benachteiligung wegen des Geschlechts vor, wenn innerhalb der betroffenen Gruppe der Teilzeitbeschäftigten erhebliche mehr Frauen als Männer vertreten sind.

Nach Ansicht des BAG steht den Betroffenen ebenso eine Stundengutschrift in Höhe der Überstundenzuschläge zu, wie auch ein Anspruch auf eine Entschädigung nach dem AGG wegen dieser Diskriminierung.

Das Urteil könnte u.a. weitreichende Folgen für die Beschäftigten im öffentlichen Dienst haben. Nachdem das BAG im Jahr 2021 entschieden hatte, dass Teilzeitbeschäftigte durch die Mehrarbeitsregelung im Tarifvertrag für den öffentlichen Dienst (TVöD) nicht ungleich behandelt würden, da es bereits an einer Vergleichbarkeit von Teilzeit- und Vollzeitbeschäftigten fehle (6 AZR 253/19), ist gegen diese Entscheidung eine Verfassungsbeschwerde anhängig (1 BvR 1198/22). 

Barbara Förster, Pflüger Rechtsanwälte GmbH

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