Kann man einem „Dschihadisten“ kündigen?
Dr. Norbert Pflüger, erschienen in F.A.S., 27. September 2020, Beruf und Chance, „Mein Urteil“
Eine Kündigung setzt voraus, dass das Arbeitsverhältnis konkret gestört ist. Es müssen greifbare Sicherheitsbedenken bestehen. So formulieren Richter gern Leitsätze, wenn es um eine verhaltensbedingte Verdachtskündigung geht. Dass ein Gericht das Vorliegen dieser Voraussetzungen verkennen kann, sieht man am folgenden Fall: Einem VW-Mitarbeiter wurde der Reisepass entzogen. Laut Verwaltungsgericht Braunschweig zu Recht. Er war Angehöriger der salafistischen Szene. Er hatte Kontakte zu „Dschihadisten“ in Syrien. Beim Verlassen des Landes fanden die Grenzbehörden in seinem Gepäck eine militärisch nutzbare Flugdrohne und 9.000 Euro Bargeld. Daraufhin entzog ihm die Behörde den Reisepass. Das Verwaltungsgericht bestätigte den Passentzug. VW kündigte daraufhin das Arbeitsverhältnis. Durch das Verhalten des Mitarbeiters sei die Sicherheit im Unternehmen gefährdet. Das Arbeitsgericht Braunschweig gab VW recht. Das Vertrauensverhältnis sei zerrüttet. Das Landesarbeitsgericht Niedersachsen entschied zugunsten des Mitarbeiters (Az. 15 Sa 319/17). Das Arbeitsverhältnis müsse konkret gestört sein, VW habe eine Sicherheitsgefährdung nicht dargelegt. Was müsste eigentlich noch geschehen, um Sicherheitsbedenken zu belegen? Dem Gericht sind hier die Maßstäbe verrutscht. Es bleibt zu hoffen, dass das Bundesarbeitsgericht im Rahmen der zugelassenen Revision die Maßstäbe klarstellt.
Norbert Pflüger ist Inhaber und Geschäftsführer der Kanzlei Pflüger Rechtsanwälte in Frankfurt.