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Saskia Steffen Veröffentlichung

Mindestlohn statt Taschengeld für Volljuristin im Yoga-Ashram?

Saskia Steffen, erschienen in F.A.S., 6. Juni 2024, Karriere & Hochschule, „Mein Urteil“

Der Fall hat auch das Bundesarbeitsgericht beschäftigt. Eine Volljuristin übernimmt in einem Yoga-Ashram Aufgaben im Umfang von 42 Stunden, erhält hierfür aber nur ein Taschengeld – und klagt rückwirkend. Was sagen die Gerichte dazu?

Muss ein Yoga-Ashram für Dienste seiner Mitbewohner den Mindestlohn zahlen? Mit dieser Frage haben sich kürzlich sowohl das Bundesarbeitsgericht (Urteil vom 25.04.2023 – Az. 9 AZR 253/22) als auch das LAG Hamm (Urteil vom 14.05.2024 – u. a. Az. 6 Sa 1128/23) befasst. Der Beklagte ist ein gemeinnütziger Verein, der sich selbst als religiöse Gemeinschaft versteht und dessen Zweck die „Verbreitung des Wissens, der Lehre, der Übungen und der Techniken des Yoga sowie die Förderung der Religion“ ist. Die Klägerin lebte für acht Jahre in dieser Gemeinschaft und übernahm im Rahmen verpflichtender Dienste verschiedene organisatorische Aufgaben.

Zuletzt leitete die Volljuristin im Umfang von 42 Stunden den Bereich Social Media und Marketing und erhielt hierfür ein monatliches Taschengeld in Höhe von EUR 430,- nebst gesetzlicher Sozialversicherung. Nachdem sie aus der Gemeinschaft ausgetreten war, verlangte sie rückwirkend für ihre Leistungen vom Yoga-Ashram eine reguläre Vergütung, jedenfalls aber die Zahlung des gesetzlichen Mindestlohns. Der beklagte Verein verweigerte die Zahlung mit dem Argument, dass ein Leben im Ashram mit dem in einem christlichen Kloster vergleichbar sei. Zudem habe keine abhängige Beschäftigung bestanden, da sie sich ihre Dienstzeiten habe frei einteilen können.

Die Gerichte gaben allerdings der Klägerin recht und sprachen ihr eine Zahlung in Höhe von 42.000 Euro zu. Zur Begründung führten die Richter an, dass die Klägerin weisungsgebunden sowie fremdbestimmt in persönlicher Abhängigkeit und damit als Arbeitnehmerin für den Beklagten tätig gewesen sei. Zudem sei der Verein weder eine Religions- noch eine Weltanschauungsgemeinschaft, die eine andere Beurteilung der Rechtsbeziehung ermögliche. Die Richter stellten fest, dass sich die Vereinssatzung auf so viele Philosophien, Kulturen und Weltreligionen beziehe, dass kein systemisches Gesamtgefüge erkennbar sei. Ist jedoch eine Organisation einer Religion eindeutig zuordbar kann etwas anderes gelten, so dass beispielsweise Mönche nicht als Arbeitnehmer gelten.

Letztlich wurde in den Urteilen klargestellt, dass auch die Vereinsautonomie den geltend gemachten Ansprüchen nicht entgegenstehe. Auch die Arbeitsverpflichtung, die sich aus einer Vereinssatzung ergebe, dürfe nicht zu einer Umgehung zwingender arbeitsrechtlicher Schutzbestimmungen führen.

Es ist begrüßenswert, dass eine abhängige Beschäftigung grundsätzlich nur unter Zahlung des Mindestlohns rechtlich möglich ist. Dies gilt vor allem, wenn wie im hier erwähnten Yoga-Ashram weisungsgebundene Tätigkeiten im Umfang einer Vollzeitbeschäftigung erbracht werden. Gleichzeitig wird auch zukünftig eine ehrenamtliche unentgeltliche Tätigkeit in Vereinen möglich sein, solange diese freiwillig und nicht rechtsmissbräuchlich ausgeübt wird. Unzählige gemeinnützige Vereine in Deutschland sind auf das freiwillige Engagement ihrer Mitglieder angewiesen und leisten auf diese Weise einen wichtigen Beitrag für die Gesellschaft.

Saskia Steffen ist Geschäftsführerin der Kanzlei Pflüger Rechtsanwälte in Frankfurt am Main.