eNews 44 | September 2013

Weniger Zeit im Job, mehr Zeit für die Familie

Arbeitsrechtliche Rahmenbedingungen für Teilzeit

 
Der Wunsch, Beruf und Familienleben zu vereinbaren, ist bei vielen Frauen und immer mehr Männern damit verbunden, die Arbeitszeit zu reduzieren. Unterstützung finden sie arbeitsrechtlich im Teilzeit- und Befristungsgesetz (TzBfG), das in § 1 ausdrücklich die Förderung von Teilzeitarbeit als erklärtes Ziel formuliert. In Unternehmen vollzieht sich das Umdenken jedoch erst langsam, viele Arbeitgeber stehen einer Teilzeitbeschäftigung noch immer ablehnend gegenüber und Beschäftigte sind unsicher, wann ein Arbeitgeber einen Antrag auf Verringerung der Arbeitszeit ablehnen darf. Eine Entscheidung des Landesarbeitsgerichtes (LAG) Köln von Anfang 2013 stärkt jetzt die Rechte von Müttern und Vätern auf Teilzeitarbeit, indem es auch beim allgemeinen Anspruch auf Verringerung der Arbeitszeit die Förderung der Vereinbarkeit von Erwerbstätigkeit und Familie berücksichtigt.

Wann haben Arbeitnehmer Anspruch auf Teilzeitbeschäftigung

Ein Anspruch auf Verringerung der Arbeitszeit kann sich insbesondere aus § 8 TzBfG, aber auch aus § 15 Bundeselterngeld- und Elternzeitgesetz (BEEG) für den Fall der Elternzeit und aus § 81 Sozialgesetzbuch IX bei Schwerbehinderung ergeben. Außerdem können Tarifverträge einen Anspruch auf Verringerung der Arbeitszeit enthalten. Nach § 8 TzBfG hat ein Arbeitnehmer einen Anspruch auf Verringerung der Arbeitszeit, wenn er folgende Voraussetzungen erfüllt:

  • Das Arbeitsverhältnis muss bereits länger als sechs Monate bestehen.
  • Der Arbeitnehmer muss die Verringerung seiner Arbeitszeit und den Umfang der Verringerung spätestens drei Monate vor deren Beginn geltend machen.

Ausgenommen von dieser Regelung sind Kleinbetriebe mit weniger als 15 Arbeitnehmern. Werden in der Regel mehr als 15 Arbeitnehmer beschäftigt, hat der Arbeitgeber der Verringerung zuzustimmen, soweit betriebliche Gründe nicht entgegenstehen.

Betriebliche Gründe können dem Teilzeitwunsch entgegenstehen

Nach dem Gesetzeswortlaut liegt ein entgegenstehender betrieblicher Grund insbesondere dann vor, wenn die Verringerung der Arbeitszeit die Organisation, den Arbeitsablauf oder die Sicherheit im Betrieb wesentlich beeinträchtigt oder unverhältnismäßige Kosten verursacht.

Hervorzuheben ist, dass es in § 8 TzBfG allein auf das Entgegenstehen betrieblicher Gründe ankommt. Dies unterscheidet ihn vom Anspruch aus § 15 BEEG, der die Verringerung der Arbeitszeit im Rahmen der Elternzeit regelt, denn hier wird das Entgegenstehen dringender betrieblicher Gründe gefordert. Daraus ergibt sich, dass geringere Anforderungen an die vom Arbeitgeber vorzutragenden Ablehnungsgründe zu stellen sind als im Rahmen des § 15 BEEG.

Diese Unterscheidung ist dadurch gerechtfertigt, dass § 15 BEEG verfassungsrechtlich geschützte Positionen berührt. Hier ist das Grundrecht aus Art. 6 Grundgesetz betroffen, da es bei einer Verringerung der Arbeitszeit im Rahmen der Elternzeit um die Pflege und Erziehung des Kindes geht. Dies bedeutet aber nicht, dass der Arbeitgeber den Teilzeitanspruch nach § 8 TzBfG leichtfertig ablehnen kann. Vielmehr muss der Arbeitgeber im Einzelfall unter Berücksichtigung aller Umstände die zumutbaren Anstrengungen zur Schaffung eines Teilzeitarbeitsplatzes für den betreffenden Arbeitnehmer unternehmen.

Ein Teilzeitwunsch nach § 8 TzBfG durchläuft drei Überprüfungen

Bei einem Teilzeitbegehren nach § 8 TzBfG prüft das Bundesarbeitsgericht das Vorliegen entgegenstehender betrieblicher Gründe in drei Stufen:

  • Zunächst ist festzustellen, ob der Arbeitszeitregelung des Arbeitgebers ein bestimmtes betriebliches Organisationskonzept zugrunde liegt.
  • In einer zweiten Stufe wird geprüft, ob die Arbeitszeitregelung dem Arbeitszeitverlangen des Arbeitnehmers tatsächlich entgegensteht.
  • Wenn dies der Fall ist, ist zuletzt zu untersuchen, ob die Beeinträchtigung des betrieblichen Organisationskonzeptes auch wesentlich ist.

LAG Köln entscheidet: Auch die Gründe des Arbeitnehmers sollen beim Wunsch nach Teilzeit berücksichtigt werden

?Die Gründe für das Begehren des Arbeitnehmers, die Arbeitszeit zu reduzieren, blieben bei der Prüfung bisher außen vor. In dem Anfang des Jahres ergangenen Urteil vom 10.01.2013 (Az. 7 Sa 766/12) bestätigte das LAG Köln eine Entscheidung des Bonner Arbeitsgerichtes vom Juli 2012 (Az. 2 Ca 645/12/ EU), das dem Begehren eines Maschinenführers nach Reduzierung der Arbeitszeit im Anschluss an seine Elternzeit stattgegeben hatte. Das LAG führt dazu aus, dass die Gründe des Arbeitnehmers nicht völlig außer Betracht bleiben können, denn es gehe „um die Problematik der Vereinbarkeit von Familie und Erwerbstätigkeit. Diese Vereinbarkeit zu fördern, entspricht einer dringenden gesamtgesellschaftlichen Zielsetzung (…). Das individuelle Anliegen des Klägers ist somit als Ausfluss einer aktuell drängenden Problematik in der Arbeitswelt insgesamt anzusehen. Diese Problematik zu bewältigen, liegt nicht nur in einem subjektiv individuellen Interesse eines Einzelnen, sondern auch im Interesse der Allgemeinheit. Vor diesem Hintergrund vorgebrachte Wünsche nach Anpassung der Arbeitszeit rechtfertigen (…) auch erhöhte Anforderungen an den Maßstab der Unzumutbarkeit.“

Die Auffassung des LAG Köln ist konsequent. Die Differenzierung im Gesetz zwischen den entgegenstehenden betrieblichen oder dringenden betrieblichen Gründen basiert auf der Annahme, dass im letzteren Fall eine grundgesetzlich geschützte Position, nämlich die Pflege und Erziehung der Kinder nach Art. 6 Grundgesetz betroffen ist. Ist diese Position jedoch auch bei einem Teilzeitbegehren nach § 8 TzBfG betroffen, so darf hier der grundgesetzliche Schutz nicht außer Acht gelassen werden.
 
Lara Sherman, Pflüger Rechtsanwälte GmbH

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