eNews 90 | November 2023

Ist eine Krankmeldung auch aus dem Krankenhaus nötig?

Arbeitnehmer, die arbeitsunfähig erkrankt sind, sind grundsätzlich verpflichtet, ihren Arbeitgeber darüber zu informieren und die Arbeits­unfähig­keit durch Bescheinigung nachzu­weisen. Kommt der Arbeit­nehmer seiner Verpflichtung nicht nach, droht eine – schlimmsten­falls – frist­lose Kündigung. Ob dies aber auch gilt, wenn der Arbeit­nehmer stationär in ein Kranken­haus eingeliefert wurde, hatte das Landes­arbeits­gericht Berlin-Brandenburg (LAG Berlin-Brandenburg, Urteil v. 13.07.2023, Az. 10 Sa 625/23) zu entscheiden.

Im konkreten Fall erkrankte die Klägerin am 18. Juli 2020 direkt im Anschluss an ihren Urlaub und musste zur stationären Behandlung bis zum 28. August 2020 in ein Kranken­haus aufgenommen werden. Streitig war zwischen der Klägerin und dem Arbeitgeber, ob dieser durch eine Freundin der Klägerin und die Tochter der Klägerin über den Kranken­haus­aufenthalt informiert wurde. Unstreitig war, dass der Arbeit­geber jedenfalls am 10. August 2020 durch den Sozial­dienst des Kranken­hauses per Mail über die stationäre Aufnahme informiert wurde. Mit Schreiben vom 11. August 2020 kündigte der Arbeitgeber das Arbeits­verhältnis der Klägerin fristlos. Zur Begründung führte er gravierende Pflicht­ver­letzungen der Klägerin aus, da sie unent­schul­digt gefehlt habe und ihrer Pflicht zur unverzüg­lichen Anzeige der Erkrankung und zur frist­gemäßen Vorlage einer Arbeits­unfähig­keits­beschei­nigung nicht nach­gekommen sei.

Das LAG Berlin-Brandenburg entschied: Ein Arbeitnehmer, der sich in stationärer Behandlung befindet, fehlt nicht unentschuldigt.

Das Gericht wertete die fristlose Kündigung als unverhältnis­mäßig und schloss sich damit der erst­instanz­lichen Entscheidung an. Bei der Anzeige- und Nachweis­pflicht im Krank­heits­fall handelt es sich demnach lediglich um Neben­pflichten aus dem Arbeits­verhältnis. Nach Ansicht des Gerichts hat der Arbeit­geber im vorlie­genden Fall keine Gründe vorge­tragen, die aus­nahms­weise auch bei einem Verstoß gegen vertrag­liche Neben­pflichten eine frist­lose Kündigung ohne vorherige Abmahnung recht­fertigen würden. Der Arbeit­geber war durch die Mail des Sozial­dienstes über die Arbeits­unfähig­keit der Klägerin vor Ausspruch der Kündigung informiert. Insofern bestand im Zeit­punkt der Kündigung kein Verstoß gegen die Anzeige­pflicht. Selbst wenn die Klägerin wochen­lang ihre Anzeige- und Nachweis­pflicht aus dem EntgFZ verletzt haben sollte, handelte es sich um eine auf steuer­barem Verhalten der Klägerin beruhende Vertrags­pflicht­verletzung. Bei derartigen Pflicht­verletzungen ist nach der ständigen Recht­sprechung des BAG aber grund­sätzlich davon auszu­gehen, dass ihr künftiges Verhalten schon durch die Androhung von Folgen für den Bestand des Arbeits­verhältnisses positiv beein­flusst werden kann. Die ordent­liche wie die außer­ordent­liche Kündigung wegen einer Vertrags­pflicht­verletzung setzen deshalb regel­mäßig eine Abmahnung voraus. Sie dient der Objekti­vierung der negativen Prognose.
 
Barbara Förster, Pflüger Rechtsanwälte GmbH

Auch in dieser Ausgabe:

Stichtagsregelungen in Sozialplänen – wann bekommen Arbeitnehmer eine Abfindung? Lesen
Gibt es künftig mehr Rechtssicherheit bei der Betriebsratsvergütung? Lesen

Copyright: © Saskia Steffen, Pflüger Rechtsanwälte GmbH

Alle Rechte vorbehalten. Abdruck und / oder Vervielfältigung der Texte oder Auszüge aus ihnen nur nach Rücksprache und mit Genehmigung des Rechteinhabers.

All rights reserved. No part of the newsletter may be reproduced in any form without written permission from the author.