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Saskia Steffen Veröffentlichung

Habe ich einen Anspruch auf Annahmeverzugslohn?

Saskia Steffen, erschienen in F.A.S., 20. April 2023, Beruf und Chance, „Mein Urteil“

Wenn sich Beschäftigte gegen eine Kündigung ihres Arbeitgebers wehren, befinden sich beide Parteien in einer Art Zwischenwelt. Aber die Kräfteverhältnisse haben sich verschoben.

Kündigungsschutzprozesse, in denen sich Arbeitnehmer gegen eine von ihrem Arbeitgeber ausgesprochene Kündigung wehren, werden nicht selten durch einen gerichtlichen Vergleich beendet. Der wichtigste Verhandlungspunkt ist dabei in der Regel die Zahlung einer Abfindung an den Arbeitnehmer; mithin die Frage, zu welchem Preis der Arbeitnehmer bereit ist, sein Arbeitsverhältnis aufzugeben.

Vor und während der Verhandlungen wägen beide Seiten die Prozessrisiken für sich ab. Für die Arbeitgeberseite ist dabei besonders relevant, ob sie an den Arbeitnehmer für die Zeit zwischen Beendigung des Arbeitsverhältnisses und einem Urteil, das die Unwirksamkeit der Kündigung feststellt, Lohn (sog. Annahmeverzugslohn) nachzahlen müssten. Hierfür lag in der Vergangenheit das Risiko eher höher. Nach diversen Urteilen in der jüngeren Vergangenheit (u. a. LAG Berlin Branden Urteil vom 30.09.2022, Az. 6 Sa 280/22; ArbG Stuttgart Urteil) verlagert sich dieses jedoch nunmehr auf die Arbeitnehmer.

Es obliegt diesen, sich in einem Gerichtsverfahren auf Verlangen des Arbeitgebers zu ihren Bewerbungsbemühungen zu erklären, die zudem hinreichend gewesen sein müssen. Letzteres wird bei nicht einmal einer Bewerbung pro Woche jedenfalls nicht angenommen. Arbeitnehmer ohne Arbeit, so das LAG Berlin-Brandenburg, sollten sich jedenfalls im Umfang ihrer wöchentlichen Arbeitszeit mit der Suche nach einem geeigneten Arbeitsplatz befassen und dabei beachten, dass auch die Qualität ihrer Bewerbungen überprüft werden kann.
 
Saskia Steffen ist Geschäftsführerin der Kanzlei Pflüger Rechtsanwälte in Frankfurt am Main.