eNews 62 | April 2017

Kann ein „frisiertes“ Arbeitszeitkonto zur Kündigung führen?

In fast allen Branchen haben sich inzwischen flexible Arbeitszeitmodelle durchgesetzt. Wird die Arbeitszeit im Unternehmen nicht automatisch via Chip oder Karte elektronisch erfasst, dokumentieren die Mitarbeiter diese selbst. Das gilt vor allem für Außendienstler, die beim Kunden tätig sind. Entweder werden die Arbeitszeiten in Zeiterfassungssysteme nachträglich eingegeben oder von Hand in Formulare eingetragen. Solche Dokumentationen sind nicht nur für die Berechnung des Gehalts erforderlich. Auch staatliche Behörden verlangen die Aufzeichnungen, beispielsweise um die Einhaltung des Arbeitszeitgesetzes oder des Mindestlohngesetzes überwachen zu können. Aber was passiert, wenn Arbeitnehmer es mit der Dokumentation nicht so genau nehmen und die Angaben zu ihren Gunsten etwas „frisieren“?

Der Arbeitgeber muss sich auf die Ehrlichkeit seiner Mitarbeiter verlassen können. Dokumentiert ein Arbeitnehmer seine Arbeitszeiten wahrheitswidrig, kann dies sogar zur Kündigung führen – wie im Falle einer Verwaltungsangestellten. Für sie galt eine gleitende Arbeitszeit. Innerhalb eines Zeitrahmens durfte die Angestellte ihre Arbeitszeit selbst bestimmen. Sie musste aber ihre Anwesenheit im Betrieb minutengenau elektronisch erfassen.

Der Arbeitgeber hatte zuvor in deutlicher Form auf die arbeitsrechtlichen Konsequenzen einer unrichtigen Eingabe hingewiesen. Er kündigte dann der Mitarbeiterin außerordentlich und fristlos, weil ihre Angaben in der Zeitdokumentation falsch waren. Die Beschäftigte hatte an sieben Arbeitstagen jeweils 13 Minuten, an einigen Tagen sogar mehr als 20 Minuten als Arbeitszeit dokumentiert, obwohl sie nicht im Betrieb war. Insgesamt hatte sie 135 Minuten als Arbeitszeit eingetragen, ohne gearbeitet zu haben.

Die Abmahnung erübrigte sich

Das Bundesarbeitsgericht hielt die Kündigung für wirksam (2 AZR 381/10). Eine vorsätzlich unkorrekte Arbeitszeitdokumentation rechtfertigt eine außerordentliche Kündigung. Hierdurch verletzt ein Arbeitnehmer seine Rücksichtnahmepflicht gegenüber dem Unternehmen. Selbst die fristlose Entlassung ist zulässig, wenn dem Arbeitgeber die Weiterbeschäftigung seiner Mitarbeiterin bis zum Ablauf der ordentlichen Kündigungsfrist nicht zugemutet werden kann.

In diesem Fall erübrigte sich sogar eine vorausgehende Abmahnung: Denn der Arbeitgeber hatte im Vorfeld klargestellt, dass er ein Fehlverhalten bei der Arbeitszeitdokumentation nicht hinnehmen werde. Verstößt die Mitarbeiterin dann trotzdem vorsätzlich und systematisch gegen die wahrheitsgemäße Aufzeichnungspflicht, kann der Arbeitgeber eine zukünftige Verhaltensänderung nicht erwarten. Je eindeutiger der Arbeitgeber also darauf hinweist, dass er falsche Arbeitszeitangaben nicht akzeptieren wird, desto eher ist die Rechtsprechung bereit, Pflichtverstöße eines Arbeitnehmers als Grund für eine fristlose Kündigung zu akzeptieren. Das Arbeitszeitkonto an der einen oder anderen Stelle um ein paar Minuten aufzurunden, kann den Arbeitnehmer also jederzeit den Job kosten.
 
Dr. Norbert Pflüger, Pflüger Rechtsanwälte GmbH

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