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Der Newsletter der Pflüger Rechtsanwälte GmbH, Frankfurt am Main informiert Sie regelmäßig über aktuelle Themen aus dem Arbeitsrecht. Die Beiträge behandeln juristische Fragen oder Gerichtsentscheidungen und deren Konsequenzen für Beschäftigte und Unternehmer.
eNews 87 | Juni 2023
Muss ich nach einer fristlosen Kündigung weiter bei meinem Arbeitgeber arbeiten?
Hierüber hatte das Bundesarbeitsgericht (BAG) am 29.03.2023 (Az. 5 AZR 255/22) zu entscheiden. Dem Urteil lag folgender Sachverhalt zugrunde: Der Kläger hatte eine fristlose Änderungskündigung erhalten. Gleichzeitig wurde er aufgefordert, weiter zur Arbeit zu erscheinen. Er lehnte das Änderungsangebot ab und arbeitete nicht weiter. Daraufhin erhielt er eine weitere fristlose Kündigung, erneut mit der Aufforderung, weiterzuarbeiten. Auch dem kam der Kläger nicht nach, da er die Weiterbeschäftigung bis zum Abschluss des Kündigungsschutzverfahren als unzumutbar ablehnte. Die Kündigungen waren rechtsunwirksam.
Nun stritten die Parteien um Annahmeverzugslohn für die Zeit, in welcher der Kläger nicht gearbeitet hat. Voraussetzung dafür ist, dass der Kläger seine Arbeitsleistung anbietet, der Arbeitgeber diese aber nicht annimmt. Dabei muss sich allerdings der Arbeitnehmer dasjenige anrechnen lassen, was er durch anderweitige Arbeit verdient oder was er böswillig unterlassen hat zu verdienen. Es kam hier auf die Frage an, ob es der Kläger böswillig unterlassen hatte, Einkommen bei dem Arbeitgeber zu erzielen. Dieser hatte angeboten, weiter bei ihm zu arbeiten.
Kündigt ein Arbeitgeber fristlos, weil die Fortsetzung des Arbeitsverhältnisses ihm nicht zuzumuten sei, besteht – so das BAG – die Vermutung, dass das gleichzeitige Angebot zur Weiterarbeit nicht ernst gemeint sei. Allerdings belässt das BAG dem Arbeitgeber die Möglichkeit, diese Vermutung durch entsprechende Darlegungen zu entkräften, was ihm in dem Verfahren nicht gelungen war. Dem Kläger war – so ist es der Pressemitteilung des BAG zu entnehmen – eine Beschäftigung während des Prozesses aufgrund der gegen ihn im Rahmen der Kündigungen erhobenen Vorwürfe und der Herabwürdigung seiner Person nicht zuzumuten, weiter bei dem Arbeitgeber zu arbeiten.
Der Arbeitgeber argumentierte, dass das Verhalten des Klägers seinerseits widersprüchlich sei. Er war zwar nicht zur Weiterarbeit bereit, machte aber im Kündigungsschutzverfahren einen Weiterbeschäftigungsanspruch geltend.
Ein Weiterbeschäftigungsanspruch steht dem Arbeitnehmer zu, der die Kündigungsschutzklage in erster Instanz gewonnen hat. Der Arbeitgeber ist dann verpflichtet, den Arbeitnehmer bis zum rechtskräftigen Abschluss des Kündigungsschutzverfahrens weiter zu beschäftigen, wenn beispielsweise der Arbeitgeber die Kündigung beim LAG überprüfen lassen möchte.
Das BAG folgte der Argumentation des Arbeitgebers nicht. Es mache einen Unterschied, ob der Arbeitnehmer trotz der gegen ihn im Rahmen einer verhaltensbedingten Kündigung erhobenen (gravierenden) Vorwürfe weiterarbeiten soll oder er nach erstinstanzlichem Obsiegen im Kündigungsschutzprozess gleichsam „rehabilitiert“ in den Betrieb zurückkehren kann. Im Ergebnis wurde dem Kläger die ausstehende Vergütung zugesprochen.
Dr. René von Wickede, Pflüger Rechtsanwälte GmbH
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