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eNews 89 | September 2023
Beleidigung in einer WhatsApp-Gruppe – ist die fristlose Kündigung gerechtfertigt?
Arbeitnehmer dürfen sich in einer „WhatsApp-Gruppe“ über ihren Arbeitgeber austauschen. Aber wie weit dürfen diese Äußerungen gehen? Sind Beleidigungen über den Arbeitgeber rechtens oder führen diese möglicherweise sogar zur fristlosen Kündigung?
Hierüber hat nun das Bundesarbeitsgericht (BAG) in seinem Urteil vom 24.08.2023, Az. 2 AZR 17/23 entschieden. Die private WhatsApp-Gruppe bestand aus bis zu sieben Mitgliedern, alle seit Jahren befreundet. Neben den üblichen privaten Themen äußerte sich ein Arbeitnehmer „in stark beleidigender, rassistischer, sexistischer und zu Gewalt aufstachelnder Weise“ über Vorgesetzte. Ein Mitglied aus der Gruppe teilte die Nachricht mit dem Arbeitgeber. Was folgte, war die fristlose Kündigung des Arbeitnehmers.
Der Gekündigte wehrte sich gegen die Kündigung und berief sich auf die im Grundgesetz geschützte vertrauliche Kommunikation. Der Chat diente allein dem privaten Austausch. Damit hatte er zunächst in beiden Vorinstanzen Erfolg. Das LAG Niedersachsen (Urt. v. 19.12.2022, Az. 15 Sa 286/22) erklärte die fristlose Kündigung für unwirksam. Bei Äußerungen gegenüber Familienangehörigen und Vertrauenspersonen, die gegen die Wahrnehmung durch den Betroffenen oder Dritte abgeschirmt sei, trete der Aspekt der Ehrverletzung eines von der Äußerung Betroffenen gegenüber einer freien Entfaltung der Persönlichkeit des sich Äußernden zurück. Die Annahme der Vertraulichkeit sei auch nicht wegen der Größe der Chatgruppe ausgeschlossen, so das LAG Niedersachen in seiner Begründung. Das LAG hat damit der „vertraulichen Umgebung“ innerhalb einer Ende-zu-Ende verschlüsselten Chatgruppe eine besondere Schutzwürdigkeit zukommen lassen – anders als beispielsweise Äußerungen, die auf öffentlich zugänglichen sozialen Medien erfolgen. Die Beklagte hatte nicht bestritten, dass unter den Mitgliedern ein besonderes Vertrauensverhältnis bestanden hat.
Anders hat es nun das BAG gesehen und den Streitfall an das LAG Niedersachsen zurückverwiesen: Eine Vertraulichkeitserwartung sei nur dann berechtigt, wenn die Mitglieder der Chatgruppe den besonderen persönlichkeitsrechtlichen Schutz einer Sphäre vertraulicher Kommunikation in Anspruch nehmen können. Das wiederum sei abhängig von dem Inhalt der ausgetauschten Nachrichten sowie der Größe und personellen Zusammensetzung der Chatgruppe. Sind Gegenstand der Nachrichten beleidigende und menschenverachtende Äußerungen über Betriebsangehörige, bedürfe es einer besonderen Darlegung durch den Arbeitnehmer, warum dieser berechtigt erwarten konnte, deren Inhalt werde von keinem Gruppenmitglied an einen Dritten weitergegeben.
Das LAG muss nun prüfen, ob der Kläger tatsächlich erwarten konnte, dass bei der möglichen schnellen Weiterleitung von WhatsApp-Chats die Vertraulichkeit gewahrt wird. Das BAG beschäftigte sich nun erstmals mit der Frage, ob WhatsApp-Gruppen dieser Größe eine Art geschützter und privater Raum sind und ob in solchen Räumen die Vertraulichkeit überhaupt gelten kann. Die Rechtsprechung zu ehrverletzenden Äußerungen in geschlossenen Gruppen von Messaging-Diensten ist bislang uneinheitlich in Deutschland. Es bleibt abzuwarten, ob der Kläger darlegen kann, dass er auf die Vertraulichkeit in der Gruppe bauen durfte. Arbeitnehmer sollten sich jedoch beim Verfassen von vermeintlich privaten Nachrichten stets bewusst sein, dass sie nicht immer auf die Vertraulichkeit bauen dürfen und mit den Konsequenzen rechnen.
Barbara Förster, Pflüger Rechtsanwälte GmbH
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