eNews 82 | Juni 2022
Vergütung für Überstunden – das Problem mit der Darlegungslast
Eine neue Entscheidung des Bundesarbeitsgerichts (BAG vom 04.04.2022, Az. 5 AZR 359/21), die bislang nur als Pressemitteilung vorliegt, beschäftigt sich erneut mit dem sogenannten Überstundenvergütungsprozess. Das Gericht führt aus, welchen Vortrag ein Arbeitnehmer leisten muss, wenn er die Vergütung von Überstunden gerichtlich geltend machen möchte.
Der Arbeitnehmer muss konkret darlegen können, dass von ihm über die Normalarbeitszeit hinaus Arbeit geleistet worden ist oder dass er sich hierzu auf Weisung des Arbeitgebers bereitgehalten hat. Das BAG weist zudem darauf hin, dass ein Arbeitgeber nur für von ihm veranlasste Überstunden Vergütung zahlen muss. Deshalb muss der Arbeitnehmer ebenfalls vortragen können, dass der Arbeitgeber die Überstunden ausdrücklich oder konkludent angeordnet, sie geduldet oder nachträglich gebilligt hat.
Besonders hat das BAG hervorgehoben, dass sich diese Anforderungen an die Darlegungslast nicht verändern, wenn der Arbeitgeber kein System zur Messung der geleisteten täglichen Arbeitszeit führt. Die in diesem Zusammenhang ergangene bekannte Entscheidung des EuGH vom 14.05.2019 (Az. C 55/18) beruht auf einer Richtlinie zur Arbeitszeit sowie Art. 31 der Charta der Grundrechte der Europäischen Union. Diese europarechtlichen Normen dienen, so das BAG, dem Schutz der Sicherheit und Gesundheit der Arbeitnehmer, weshalb die Entscheidung des EuGH nicht auf Vergütungsfragen übertragen werden kann.
In der vom BAG zu entscheidenden Konstellation hatte der Arbeitnehmer vorgetragen, dass bei dem Arbeitgeber eine Zeitaufzeichnung lief, die allerdings keine Pausen erfasste. Aus diesen Aufzeichnungen ergaben sich für ihn 348 Stunden als positiver Saldo. Nach Auffassung des BAG hätte hier der Arbeitnehmer darlegen müssen, weshalb es erforderlich gewesen sei, ohne Pausen durchzuarbeiten, um seine Arbeit zu erledigen. Nicht ausreichend ist es, lediglich zu behaupten, dass die Arbeit ohne Pausen erforderlich gewesen sei, ohne den Umfang der Arbeiten zu beschreiben.
Die Anforderungen an die Darlegungslast im Überstundenvergütungsprozess bleiben damit insgesamt sehr hoch, weshalb Arbeitnehmern anzuraten ist, entsprechende Vorkehrungen zu treffen, wenn sie mit Schwierigkeiten bei der Vergütung von Überstunden rechnen. Hilfreich können insoweit entsprechende eigene Dokumentationen sein, um später den notwendigen konkreten Vortrag leisten zu können. Im besten Fall sollte der Arbeitnehmer auf einer expliziten Anordnung der Überstunden bestehen oder sich diese nachträglich genehmigen lassen.
Kann ein Arbeitnehmer das Ableisten von Überstunden darlegen und gegebenenfalls auch beweisen, ist bezüglich der Frage, ob die Überstunden auch zu vergüten sind, die Rechtsprechung zur Frage der pauschalen Abgeltung von Überstunden durch arbeitsvertragliche Vereinbarungen einerseits und die Frage der Vergütungserwartung von Überstunden andererseits zu beachten.
Dr. René von Wickede, Pflüger Rechtsanwälte GmbH
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